MoR 02 - Eine Krone aus Gras
daß nicht verhandelt wird, solange für Asculum Picentum nicht volle Wiedergutmachung geleistet ist«, sagte Scaurus verächtlich. »Der Senat empfängt euch nicht.«
»Asculum Picentum ist nur ein blutiger Beweis, wie aufgebracht die Italiker sind«, sagte der Marser Publius Vettius Scato, der die Abordnung anführte. »Es steht nicht in unserer Macht, von Asculum Picentum irgend etwas zu verlangen. Darüber müssen die Picenter selbst entscheiden.«
»Darüber«, erwiderte Scaurus barsch, »wird Rom entscheiden.«
»Wir verlangen noch einmal, daß uns der Senat empfängt«, beharrte Scato.
Aber Scaurus bieb unerbittlich. »Der Senat empfängt euch nicht.«
Die Zwanzig zogen ab, allerdings nicht niedergeschlagen, wie Scaurus auffiel. Scato, der als letzter hinausging, drückte Scaurus eine Pergamentrolle in die Hand. »Nimm das bitte von den Marsern, Marcus Aemilius«, sagte er.
Scaurus öffnete das Dokument erst einige Zeit später zu Hause, wo der Schreiber, dem er es übergeben hatte, es ihm vorlegte. Verärgert, daß er es vergessen hatte, entrollte er es und las mit wachsender Betroffenheit.
Im Morgengrauen berief er eine Sitzung des Senates ein, die wegen der kurzen Benachrichtigungszeit nur schwach besucht war. Philippus und Caepio dachten wie gewöhnlich nicht daran zu erscheinen. Sextus Caesar kam, ebenso die neuen Konsuln und Prätoren und die ausscheidenden und die meisten neuen Tribunen der Plebs. Varius fehlte auffälligerweise, die Konsularen waren anwesend. Sextus Caesar zählte die Anwesenden und stellte mit einiger Erleichterung fest, daß er eine beschlußfähige Menge vor sich hatte.
»Dieses Dokument hier«, verkündete der Senatsälteste Scaurus, »haben drei Marser unterschrieben, Quintus Poppaedius Silo, der sich Konsul nennt, Publius Vettius Scato, der sich Prätor nennt, und Lucius Fraucus, der sich Berater nennt. Ich muß euch den Inhalt vorlesen:
An den Senat und das Volk von Rom. Wir, die gewählten Vertreter des Stammes der Marser, erklären hiermit im Namen unseres Volkes, daß wir Rom die Bündnistreue kündigen. Daß wir keine Steuern, keinen Zehnten und keinen Zoll oder sonstige Abgaben mehr entrichten werden. Daß wir Rom keine Truppen mehr stellen werden. Daß wir die Stadt Alba Fucentia und die dazugehörigen Ländereien zurückerobern werden. Dies ist als Kriegserklärung zu betrachten.
Bewegung kam in das Haus. Gaius Marius streckte seine Hand nach dem Dokument aus, und Scaurus gab es ihm. Langsam machte es die Runde durch die Reihen der Anwesenden, bis sich jeder selbst überzeugt hatte, daß es echt und der Inhalt richtig verlesen worden war.
»Offenbar steht uns ein Krieg bevor«, sagte Marius.
»Mit den Marsern?« wunderte sich der Pontifex Maximus Ahenobarbus. »Ich erinnere mich, daß Silo, als ich ihn vor der Porta Collina sprach, sagte, es werde Krieg geben — aber die Marser können uns nicht schlagen! Sie haben nicht genug Soldaten, um gegen Rom in den Krieg zu ziehen! Die beiden Legionen, die Silo dabei hatte, waren ungefähr alles, was die Marser auftreiben können.«
»Das ist merkwürdig«, räumte Scaurus ein.
»Es sei denn«, meinte Sextus Caesar, »es sind weitere italische Stämme im Spiel.«
Doch das glaubte keiner, auch nicht Marius. Die Sitzung ging ohne einen Beschluß zu Ende. Man kam lediglich überein, daß die Italiker im Auge behalten werden müßten und daß zwei umherreisende Prätoren nicht ausreichten! Servius Sulpicius Galba, der Prätor, der im Süden von Rom die >italische Frage< untersuchen sollte, hatte bereits seine Rückkehr angekündigt. Wenn er zurück sei, glaubten die Senatoren, könne man über das weitere Vorgehen entscheiden. Krieg mit Italien? Vielleicht. Aber noch nicht jetzt.
»Als Marcus Livius noch lebte«, sagte Marius nach Ende der Sitzung zu Scaurus, »war ich felsenfest davon überzeugt, ein Krieg mit Italien stehe unmittelbar bevor, aber jetzt, wo er tot ist, kann ich es nicht glauben! Ob es nur an seiner Art lag? Ich weiß es wirklich nicht. Sind die Marser allein? Ganz bestimmt! Und doch — ich habe Quintus Poppaedius Silo nie für einen Narren gehalten.«
»Ich bin in allem deiner Meinung, Gaius Marius«, stimmte ihm Scaurus zu. »Warum habe ich das Dokument nicht gelesen, als Scato noch in Rom war? Die Götter spielen mit uns, ich spüre es in den Knochen.«
Da der Jahreswechsel bevorstand, hatten die Senatoren natürlich keinen Kopf für Entwicklungen außerhalb Roms, wie ernst oder undurchsichtig
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