MoR 02 - Eine Krone aus Gras
purpurne Tunika unter einem silberplattierten Panzer. In unbewußtem Anklang an den armenischen König Tigranes hatte er einem Sklaven befohlen, neben ihm herzugehen und ihm mit einem Sonnenschirm Schatten zu spenden. Der seltsame Lucius Cornelius Sulla hätte sich bei diesem Anblick krankgelacht, und dann hätte er Quintus Servilius wahrscheinlich von seinem zahmen Pferd heruntergezerrt und sein Gesicht in den Staub gedrückt.
Quintus Servilius schickte täglich eine Gruppe von Dienern voraus, die das beste verfügbare Quartier ausfindig machen sollten, meist die Villa eines reichen Mannes oder eines Magistraten. Bezeichnend für ihn war, daß es ihn nicht kümmerte, wie sein Gefolge unterkam. Außer den Liktoren und einer großen Menge Sklaven eskortierten ihn zwanzig schwerbewaffnete und prachtvoll gekleidete Reiter. Da Quintus Servilius auf seiner gemächlichen Reise dringend Gesellschaft brauchte, ließ er sich von dem Legaten Fonteius begleiten, einem reichen, aber unbedeutenden Mann, der vor kurzem von sich reden gemacht hatte, als seine siebenjährige Tochter Fonteia mit einer gewaltigen Mitgift in die Schule der vestalischen Jungfrauen eingetreten war.
Quintus Servilius aus der Familie der Auguren war der Ansicht, daß der römische Senat sich Sorgen um nichts gemacht hatte, aber er dachte nicht daran, sich zu beklagen. Immerhin hatte er mehr von Italien gesehen, als er sich je hätte träumen lassen, und das unter segensreichen Umständen. Wohin er auch kam, er wurde gefeiert und festlich bewirtet. Dank der Großzügigkeit seiner Gastgeber und der ehrfurchtgebietenden Amtsgewalt des prokonsularischen Imperiums war seine Geldtruhe noch über die Hälfte gefüllt. Er würde sein Jahr als Prätor mit einer wohlgefüllten Geldbörse beenden — und auf Staatskosten.
Die Via Salaria, die alte Salzstraße, war ursprünglich der Schlüssel zum römischen Glück gewesen, vor der Königszeit, als latini- sche Händler das in der Ebene um Ostia geförderte Salz entlang dieser Straße vertrieben hatten. Inzwischen hatte die Via Salaria jedoch so sehr an Bedeutung verloren, daß der Staat den Straßenbelag nicht mehr in Ordnung hielt. Quintus Servilius bekam das zu spüren, kaum daß er Firmum Picenum verlassen hatte. Alle paar Meilen stieß er auf Stellen, an denen Regengüsse auch die letzte Schicht des Belages von den abgerundeten Steinen des Fundaments gewaschen hatten. Als er den Paß nach Asculum Picentum hinauffuhr, der nächsten größeren Stadt, versperrte ihm zu allem Überfluß auch noch ein Erdrutsch den Weg. Eineinhalb Tage brauchten seine Leute, bis sie einen sicheren Durchgang freigeräumt hatten, und der arme Quintus Servilius mußte währenddessen unter ungemütlichen Umständen an Ort und Stelle ausharren.
Die Straße stieg von der Küste steil bergan, denn es war nicht weit zu den hohen Bergkämmen des Apennin. Asculum Picentum war die größte und bedeutendste Stadt im ganzen südlichen Picenum; sie war von einer drohenden, hohen Steinmauer umgeben, schroff wie die umliegenden Berggipfel. Unweit der Stadt floß der Truentius, der zu dieser Jahreszeit aus kaum mehr als einer Reihe von Wasserlöchern bestand. Die klugen Askulaner hatten freilich eine Kiesschicht tief unter dem Bachbett angebohrt, um sich mit Wasser zu versorgen.
Die Vorhut aus Dienern hatte ihre Aufgabe erfüllt, wie Quintus Servilius feststellte, als er als letzter am Haupttor von Asculum Picentum ankam. Zu seinem Empfang stand eine kleine Gruppe offensichtlich wohlhabender Kaufleute bereit, die nicht Griechisch, sondern Latein sprachen und die Toga der römischen Bürger trugen.
Quintus Servilius kletterte von seinem weißen Zelter, schlang den purpurnen Umhang um die linke Schulter und begrüßte das Empfangskomitee mit leutseliger Gönnerhaftigkeit.
»Asculum Picentum ist keine römische oder latinische Kolonie, oder?« fragte er. Seine Kenntnis der Verhältnisse war weniger gut, als sich für einen römischen Prätor auf Dienstreise durch Italien gehört hätte.
»Nein, Quintus Servilius«, sagte Publius Fabricius, der Führer der Abordnung, »aber hier leben ungefähr hundert römische Kaufleute wie wir.«
Servilius Quintus richtete sich empört auf. »Und wo sind die einflußreichen Picenter? Ich hoffe doch sehr, daß mich auch die Einheimischen willkommen heißen!«
Fabricius sah ihn entschuldigend an. »Die Picenter gehen den Römern seit Monaten aus dem Weg, Quintus Servilius. Ich weiß nicht, warum! Offenbar hegen
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