MoR 02 - Eine Krone aus Gras
persönlich als ihren Oberbefehlshaber. Die Botschaft mußte in die Kriegsarchive kommen. Gaius Marius stellte sich mit Rom auf eine Stufe!
Sulla hob blitzschnell den Kopf und blickte Lucius Caesar an. Wenn dem Oberbefehlshaber des Südens dieser Satz aufgefallen war, dann ließ er sich jetzt nichts anmerken. Aber so gerissen, dachte Sulla, war Lucius Caesar nicht. Er las Marius’ Schreiben weiter.
Du stimmst mir doch sicher zu, Lucius Julius, daß wir auf meinem Kriegsschauplatz einen Sieg brauchen — einen vollständigen und entscheidenden Sieg. Rom hat unseren Krieg gegen die Italiker den Marsischen Krieg genannt, also müssen wir die Marser im Feld schlagen, möglichst vernichtend.
Ich bin dazu jetzt in der Lage, mein lieber Lucius Julius, allerdings brauche ich die Dienste meines alten Freundes und Kollegen Lucius Cornelius Sulla. Und zwei zusätzliche Legionen. Ich verstehe vollkommen, daß Du Lucius Cornelius nur sehr schwer entbehren kannst, ganz zu schweigen von den beiden Legionen. Wenn ich es nicht für zwingend notwendig hielte, würde ich Dich nicht um diesen Gefallen bitten. Und ich versichere Dir, daß seine Versetzung nicht von Dauer ist. Es soll eine Leihgabe, kein Geschenk sein. Ich brauche nur zwei Monate.
Wenn Du eine Möglichkeit siehst, meiner Bitte zu entsprechen, so tust Du mit Deiner Freundlichkeit mir gegenüber Rom einen Gefallen. Wenn Du keine Möglichkeit siehst, muß ich mich wieder in Reate einrichten und mir etwas anderes, ausdenken.
Sulla hob den Kopf, starrte Lucius Caesar an und zog die Brauen hoch. »Nun?« fragte er und legte den Brief sorgfältig auf Lucius Caesars Tisch.
»Geh auf jeden Fall zu ihm, Lucius Cornelius«, sagte Lucius Caesar gleichgültig. »Ich schaffe es in Aesernia auch ohne dich. Gaius Marius hat recht. Wir müssen auf dem Feld einen entscheidenden Sieg über die Marser erringen. Der südliche Kriegsschauplatz ist ein übles Durcheinander. Man kann die Samniten und ihre Verbündeten unmöglich im Zaum halten, und man findet nicht genug auf einem Haufen, um ihnen eine entscheidende Niederlage beizubringen. Ich kann hier nicht mehr tun, als römische Stärke und Standhaftigkeit zu demonstrieren. Im Süden wird es keine entscheidende Schlacht geben. Die muß im Norden geschlagen werden.«
Sulla wurde erneut wütend. Ein Oberbefehlshaber nannte sich im gleichen Atemzug mit Rom, der andere verzweifelte ständig und hatte keinen Schimmer Hoffnung, weder für den Osten noch für den Westen oder Süden. Zum Glück sah er wenigstens im Norden einen Lichtblick! Wie sollte man mit einem Befehlshaber wie Lucius Caesar in der Campania siegen? fragte sich Sulla. Bei den Göttern, warum saß nie er am entscheidenden Platz? Er war besser als Lucius Caesar! Vielleicht sogar besser als Gaius Marius! Seit er im Senat saß, vergeudete er sein Leben damit, geringeren Männern zu dienen — selbst Gaius Marius war geringer: Er war kein patrizischer Cornelius. Metellus Schweinebacke, Gaius Marius, Catulus Caesar, Titus Didius, und nun dieser chronisch schwermütige Sproß aus altem Haus! Und wer eilte von Erfolg zu Erfolg, holte sich die Graskrone und regierte zu guter Letzt im jungen Alter von dreißig Jahren eine ganze Provinz? Quintus Sertorius. Ein sabinischer Niemand! Marius’ Vetter!
»Lucius Caesar, wir werden siegen!« Sulla sprach sehr ernst. »Ich sage dir, ich höre, wie Victorias Flügel in der Luft um uns rauschen! Wir zerstampfen die Italiker zu einem Häuflein Staub. Sie mögen vielleicht eine oder zwei Schlachten gegen uns gewinnen, aber einen Krieg gegen uns gewinnen, das können sie nicht! Das kann keiner! Rom ist Rom, mächtig und ewig! Ich glaube an Rom!«
»Ja, ich auch, Lucius Cornelius, ich auch!« Lucius Caesar klang gereizt. »Geh jetzt! Mach dich bei Gaius Marius nützlich, bei mir bist du es bestimmt nicht!«
Sulla stand auf und schritt durch die Eingangstür des Hauses, das Lucius Caesar beschlagnahmt hatte. Dann besann er sich anders und machte kehrt. Marius’ Brief hatte ihn so beschäftigt, daß ihm Lucius Caesars körperliche Verfassung gar nicht richtig zu Bewußtsein gekommen war. Erneut packte ihn Angst. Bleich und lethargisch, zitternd und schwitzend saß der Oberbefehlshaber an seinem Tisch.
»Lucius Julius, geht es dir gut?« fragte Sulla.
»Ja, ja!«
Sulla setzte sich wieder. »Du weißt, daß es dir nicht gut geht.«
»Es geht mir hinreichend gut, Lucius Cornelius.«
»Geh zu einem Arzt!«
»In diesem Dorf? Hier gibt es
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