MoR 02 - Eine Krone aus Gras
keine Rolle. Aber du hast recht. Ich bin sonderbar!«
Lucius Caesar erblickte in Sullas Gesicht einen seltsamen Ausdruck und beschloß, daß er lieber das Thema wechselte. »Du und ich, wir müssen beide bald wieder fort.«
»Müssen wir das? Warum? Und wohin?«
»Nach deinem Vorstoß auf Aesernia bin ich überzeugt, daß die Stadt auf diesem Kriegsschauplatz von zentraler Bedeutung ist. Mutilus begibt sich persönlich hierher, nachdem er verloren hat — so berichten mir jedenfalls deine Spione. Ich glaube, wir müssen uns ebenfalls auf den Weg machen. Die Stadt darf nicht fallen.«
»Ach Lucius Julius!« rief Sulla verzweifelt. »Aesernia ist doch nur ein symbolischer Dorn in der italischen Pfote! Solange die Stadt standhält, zweifeln die Italiker daran, daß sie den Krieg gewinnen können. Aber sonst hat sie keinerlei Bedeutung! Übrigens haben die Einwohner reichlich Lebensmittel, und Marcus Claudius Marcellus ist ein sehr fähiger und entschlossener Kommandant. Die Einwohner werden den Belagerern eine lange Nase ziehen, mach dir um sie keine Sorgen! Wenn sich Mutilus ins Landesinnere zurückgezogen hat, verläuft unsere einzige Route durch die Melfa-Schlucht. Warum sollen wir unsere wertvollen Soldaten in die Falle schicken?«
Lucius Caesar lief rot an. »Du bist doch durchgekommen!«
»Ja, allerdings. Ich habe sie überlistet. Das geht kein zweites Mal.«
»Ich werde durchkommen,« sagte Lucius Caesar starrköpfig.
»Mit wie vielen Legionen?«
»Mit allen, die wir haben. Acht.«
»Bei den Göttern, Lucius Julius, vergiß das!« Sulla sprach eindringlich. »Es wäre klüger und weiser, wenn wir uns darauf konzentrierten, die Samniten endgültig aus der westlichen Campania zu vertreiben! Mit acht Legionen als Einheit können wir Mutilus wieder alle Häfen entreißen, Acerrae verstärken und Nola einnehmen. Nola ist für die Italiker wichtiger als Aesernia für uns!«
Der Oberbefehlshaber kniff voller Unmut die Lippen zusammen. »Ich sitze im Kommandozelt, Lucius Cornelius, nicht du! Und ich sage: Aesernia.«
Sulla zuckte resigniert die Achseln. »Wie du meinst. Natürlich.«
Sieben Tage später rückten Lucius Caesar und Lucius Cornelius Sulla mit acht Legionen, der gesamten verfügbaren Streitmacht auf dem südlichen Kriegsschauplatz, in Richtung Teanum Sidicinum aus. In Sulla schlug ahnungsvoll alles Alarm, aber ihm blieb nichts anderes übrig als zu gehorchen. Lucius Caesar war der Oberbefehlshaber. Um so schlimmer, dachte Sulla. Er marschierte an der Spitze der beiden Legionen, die er bereits nach Aesernia geführt hatte, und behielt die große Kolonne im Auge, die sich vor ihm durch die sanften Hügel schlängelte. Lucius Caesar hatte beschlossen, daß Sulla ganz am Schluß der Kolonne marschierte, so weit entfernt, daß der Stellvertreter weder den Lagerplatz mit ihm teilen noch an seinen Unterhaltungen teilnehmen konnte. Dazu war jetzt Metellus Pius das Ferkel ausersehen, dem die Beförderung freilich sehr mißfiel. Er war lieber mit Sulla zusammen.
In Aquinum rief der Oberbefehlshaber Sulla zu sich und warf ihm mit einer verächtlichen Geste einen Brief hin. So tief sind die Mächtigen gesunken! dachte Sulla und erinnerte sich daran, wie Lucius Caesar in Rom von ihm Rat eingeholt und ihn zu seinem >Experten< gemacht hatte. Inzwischen betrachtete sich Lucius Caesar selbst als Experten.
»Lies das«, sagte Lucius Caesar kurz. »Es ist gerade angekommen, von Gaius Marius.«
Normalerweise gebot die Höflichkeit, daß der Empfänger eines Briefes, wenn er den Inhalt kundtun wollte, ihn persönlich vorlas. Sulla lächelte gequält in sich hinein und rollte hastig Marius’ Mitteilung auseinander.
Ich glaube, die Zeit ist gekommen, Lucius Cornelius, daß ich, der Oberbefehlshaber im Norden, Dich in meine Pläne ein weihe. Ich schreibe dies an den Kalenden des Monats Sextilis im Lager bei Reate. Ich habe die Absicht, in das Land der Marser einzumarschieren. Meine Armee ist in bestem Zustand, und ich vertraue ganz darauf, daß sie ihre Aufgabe hervorragend erfüllt, wie es meine Truppen in der Vergangenheit für Rom und ihren Oberbefehlshaber immer getan haben.
Oho, dachte Sulla wütend, solche Töne hatte er von dem alten Knaben noch nie gehört! »Für Rom und ihren Oberbefehlshaber.« Stach ihn der Hafer? Warum sprach er von sich in einem Atemzug mit Rom? Meine Armee, nicht Roms Armee! Es wäre ihm nicht aufgefallen — schließlich sagten es ja alle —, aber Marius verwies auf sich
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