MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Landsleute hinunter und weigerten sich, die Tore zu öffnen. Schließlich, als die ersten Reihen der Römer die letzten Reihen der Samniten eingeholt hatten und sich zum Angriff vorbereiteten, öffnete sich das Tor, unter dem Cluentius selbst stand, eines der kleineren Stadttore. Aber mehr als dieses kleine Tor wollte der Magistrat nicht öffnen, so sehr die bedrängten samnitischen Soldaten auch darum baten.
Vor Pompeji war es eine Schlacht gewesen, vor Nola wurde es eine Schlächterei. Die samnitischen Soldaten waren fassungslos über den Verrat Nolas und von panischem Schrecken erfüllt, weil die vorgezogenen Ecken der nördlichen Stadtmauer sie einschlossen. Die samnitische Armee erlitt eine verheerende Niederlage, die Soldaten fielen fast bis auf den letzten Mann. Sulla selbst tötete Cluentius, der sich weigerte, in Nola Schutz zu suchen, wenn seine Männer schutzlos vor den Toren bleiben mußten.
Die Schlacht vor Nola war der größte Tag in Sullas Leben. Mit einundfünfzig Jahren war er endlich als Feldherr ganz für einen Kriegsschauplatz verantwortlich, und er hatte seine erste große Schlacht als oberster Befehlshaber gewonnen. Was für ein Sieg! Triefend vom Blut fremder Männer, das Schwert mit geronnenem Blut regelrecht an der rechten Hand festgeklebt, nach Schweiß und Tod riechend, überblickte Lucius Cornelius Sulla das Feld, riß sich den Helm vom Kopf und warf ihn mit einem Jubelruf in die Luft. In seinen Ohren dröhnte ein ungeheurer Lärm, der die Schreie und das Stöhnen der sterbenden Samniten übertönte, ein Lärm, der immer weiter anschwoll, bis er den Sprechchor erkannte:
»Im-per-a-tor! Im-per-a-tor! Im-per-a-tor!«
Wieder und wieder brüllten es seine Soldaten, es war die höchste Auszeichnung, der unübertreffliche Triumph, er war der Sieger, der auf dem Schlachtfeld als Imperator bejubelt wurde. So dachte er, grinste breit mit hoch über dem Haupt erhobenem Schwert, sein schweißgetränkter, leuchtender Haarschopf trocknete langsam in der untergehenden Sonne, sein Herz war so voll, daß er kein Wort der Erwiderung herausgebracht hätte, wenn es eines Wortes bedurft hätte. Er, Lucius Cornelius Sulla, hatte ohne den Schatten eines Zweifels bewiesen, daß ein Mann mit seinen Talenten lernen konnte, was ihm nicht in die Wiege gelegt war, und die härteste Schlacht dieses Krieges oder eines jeden anderen Krieges gewinnen konnte. Hoffentlich lebte Gaius Marius noch, dieser verkrüppelte Koloß, wenn er nach Rom zurückkehrte. Gaius Marius sollte sehen, wie falsch er Sulla beurteilt hatte. Sulla war ihm ebenbürtig, und in zehn Jahren würde er ihn überrundet haben. Eines Tages würde Sullas Name größer sein als der des Gaius Marius. Und so war es gerecht, denn er war Cornelius aus adligem Geschlecht und Gaius Marius nur ein Bauer aus dem latinischen Hügelland.
Aber er hatte noch zu tun, und er war ein patrizischer Römer. Titus Didius und Metellus Pius kamen zu ihm, seltsam scheu, ihre leuchtenden Augen sahen ihn bewundernd mit einer strahlenden Verehrung an, die Sulla bisher nur in den Augen von Julilla und Delmatica gesehen hatte, wenn sie ihn anblickten. Aber das hier sind Männer, Lucius Cornelius Sulla! Männer mit Rang und Namen — Didius hat den Sieg in Spanien errungen, und Metellus Pius ist Erbe eines großen und vornehmen Hauses. Frauen waren unwichtige Närrinnen, auf Männer kam es an, und ganz besonders auf Männer wie Titus Didius und Metellus Pius. In all den Jahren, die er Gaius Marius gedient hatte, hatte er nie gesehen, daß ein Mann ihn mit solcher Bewunderung angeblickt hatte! An diesem Tag hatte er nicht nur eine Schlacht gewonnen, sondern er hatte die Rechtfertigung für sein Leben und für den Tod von Stichus, Nikopolis, Clitumna, Hercules Atlas und Metellus Numidicus Schweinebacke errungen. An diesem Tag hatte er bewiesen, daß jedes Leben, das er ausgelöscht hatte, um auf dem Schlachtfeld von Nola stehen zu können, weniger wert gewesen war als sein eigenes. Auf einmal verstand er Nabupolassaros von Chaldäa: Er war der größte Mann der Welt, vom Oceanus Atlanticus bis zum Fluß Indus!
»Wir arbeiten die Nacht durch«, sagte er forsch zu Didius und Metellus Pius, »damit die Leichen der Samniten bis zum Morgengrauen entkleidet auf einem Haufen liegen und unsere eigenen Toten für die Verbrennung vorbereitet sind. Ich weiß, es war ein anstrengender Tag, aber er ist noch nicht zu Ende. Und ehe er zu Ende ist, kann niemand sich ausruhen. Quintus Caecilius,
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