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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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such dir ein paar Männer, die in einer halbwegs ordentlichen Verfassung sind, und reite nach Pompeji zurück, so schnell du kannst. Bring genug Brot und Wein für alle her, und bring die Männer vom Troß mit. Sie sollen sich auf die Suche machen nach Holz und Öl. Wir haben ganze Berge von Leichen zu verbrennen.«
    »Aber es gibt keine Pferde, Lucius Cornelius!« sagte das Ferkel mit schwacher Stimme. »Wir sind doch nach Nola marschiert! Zwanzig Meilen in vier Stunden!«
    »Dann such dir Pferde«, sagte Sulla mit eisiger Stimme. »Bis zum Morgengrauen bist du wieder hier.« Er wandte sich an Didius. »Titus Didius, geh zu den Männern und stelle fest, wer für Heldentaten im Kampf eine Auszeichnung verdient hat. Sobald wir unsere Toten und die Toten des Feindes verbrannt haben, kehren wir nach Pompeji zurück, aber ich will, daß eine Legion aus Capua hier vor den Mauern von Nola Posten bezieht. Und laß die Ausrufer den Einwohnern von Nola verkünden, Sulla habe vor Mars und Bellona das Gelübde abgelegt, daß so lange römische Truppen vor Nolas Mauern stehen werden, bis die Stadt sich ergibt — gleichgültig ob es Tage dauert oder Monate oder Jahre.«
    Noch ehe Didius oder Metellus Pius aufbrechen konnte, erschien der Militärtribun Lucius Licinius Lucullus an der Spitze einer Abordnung von Zenturionen; es waren acht Offiziere, primi pili und pili priores. Sie kamen gemessenen Schrittes, würdevoll wie Priester in einer heiligen Prozession oder wie Konsuln am Neujahrstag auf dem Weg zur Amtseinsetzung.
    »Lucius Cornelius Sulla, deine Armee möchte dir ein Zeichen ihrer großen Dankbarkeit geben. Ohne dich wäre die Armee geschlagen, und die Soldaten wären tot. Du hast in der ersten Reihe gekämpft und bist uns anderen mit gutem Beispiel vorangegangen. Du bist beim Marsch auf Nola niemals erlahmt. Dir, und dir allein, ist der bei weitem größte Sieg in diesem Krieg zu verdanken. Du hast mehr als deine Armee gerettet, du hast Rom gerettet. Lucius Cornelius, wir ehren dich«, sagte Lucullus und trat zurück, um den Zenturionen Platz zu machen.
    Der Mann in der Mitte, der ranghöchste Zenturio, hob beide Arme und streckte sie Sulla entgegen. Auf seinen Händen lag ein unscheinbarer, zerzauster Kranz aus Grasbüscheln, die auf dem Schlachtfeld abgerupft und aufs Geratewohl zusammengeflochten worden waren, samt Wurzeln, Erde, Halmen und Blut. Corona graminae. Corona obsidionalis. Die Krone aus Gras. Sulla streckte instinktiv die Arme aus und ließ sie dann wieder fallen, weil er keine Ahnung hatte, wie das Ritual vollzogen wurde. Sollte er die Krone nehmen und sie sich selbst aufs Haupt setzen oder setzte sie ihm der primus pilus Marcus Canuleius im Namen der Armee auf?
    Er stand reglos da, während Canuleius, ein großer Mann, die Graskrone mit beiden Händen hochhob und Sulla in das rotgoldene Haar drückte.
    Es fiel kein weiteres Wort mehr. Titus Didius, Metellus Pius, Lucullus und die Zenturionen beugten ehrerbietig das Haupt vor Sulla, lächelten ihn scheu an und gingen weg. Er blieb allein im Angesicht der untergehenden Sonne zurück, die Graskrone auf seinem Haupt, so leicht, daß er ihr Gewicht kaum spürte. Tränen strömten über sein blutverschmiertes Gesicht, und er war gänzlich von einem so ekstatischen Hochgefühl erfüllt, daß er nicht wußte, ob er es aushalten konnte. Denn was war auf der anderen Seite? Was hatte ihm das Leben jetzt noch zu bieten? Sein toter Sohn fiel ihm ein, und noch ehe er Zeit gehabt hatte, seine unermeßliche Freude zu genießen, war sie verflogen. Alles, was ihm blieb, war ein so tiefer Schmerz, daß er auf die Knie sank und bitterlich weinte.
    Jemand half ihm auf die Füße, wischte ihm den Schmutz und die Tränen vom Gesicht, legte den Arm um seine Hüfte und führte ihn zu einem Steinblock an der Straße nach Nola. Dort wurde er sanft niedergelassen, bis er auf dem Stein saß, dann setzte sich der andere neben ihn. Es war Lucius Licinius Lucullus, der erste Militärtribun.
    Die Sonne war im Mittelmeer untergegangen. Der größte Tag in Sullas Leben endete im Dunkel. Seine Arme hingen schlaff zwischen seinen Knien herunter, in tiefen Atemzügen sog er die Luft ein und stellte sich die alte, die uralte Frage: Warum bin ich niemals glücklich?
    »Ich kann dir keinen Wein anbieten, Lucius Cornelius. Nicht einmal Wasser«, sagte Lucullus. »Wir sind von Pompeji hierher gerannt, ohne an irgend etwas anderes zu denken als daran, daß wir Cluentius erwischen.«
    Sulla stieß

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