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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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für den besseren Feldherrn hielt und überzeugt war, er hätte Süditalien besser und schneller unterwerfen können. Wie konnte er diesem sturen alten Esel endlich zeigen, daß er ihm ebenbürtig war? fragte sich Sulla im stillen, verriet aber nach außen hin nichts von seinen Gedanken. Er merkte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten, blickte Caesar an und las in seinen Augen, daß er um die lautlos gestellte Frage wußte.
    »Was denkst du, Caesar?« fragte Sulla.
    »Ich bin von Bewunderung erfüllt, Lucius Cornelius.«
    »Eine glatte Antwort.«
    »Eine ehrliche Antwort.«
    »Komm mit, junger Mann, ich bringe dich nach Hause.«
    Eine Weile gingen sie stumm nebeneinander her. Sulla trug seine schneeweiße Kandidatentoga, der Junge seine Kindertoga mit dem purpurnen Saum und der Bulla, dem Amulett, das Unheil abwenden sollte, an einem Lederriemen um den Hals. Zuerst dachte Sulla, das viele Lächeln und Kopfnicken gelte ihm, da er so berühmt geworden war, bis es ihm dämmerte, daß ein Gutteil davon in Wahrheit dem Jungen galt.
    »Wie kommt es, daß alle dich kennen, Caesar?«
    »Das ist nur ein Abglanz, Lucius Cornelius. Ich begleite Gaius Marius überallhin.«
    »Kennt dich denn niemand um deiner selbst willen?«
    »Hier in der Nähe des Forums bin ich einfach der Junge von Gaius Marius. Wenn ich die Subura betrete, kennt man mich auch allein.«
    »Ist dein Vater zu Hause?«
    »Nein, er ist noch mit Publius Sulpicius und Gaius Baebius vor Asculum Picentum.«
    »Dann kommt er bald nach Hause. Die Armee ist schon auf dem Marsch.«
    »Dann dauert es sicher nicht mehr lange.«
    »Freust du dich nicht darauf, deinen Vater zu sehen?«
    »Doch, natürlich.« Es klang unbeteiligt.
    »Erinnerst du dich an deinen Vetter, meinen Sohn?«
    Das Gesicht des Jungen leuchtete auf, jetzt war die Begeisterung echt. »Wie könnte ich ihn jemals vergessen? Er war so freundlich. Als er starb, habe ich ein Gedicht für ihn geschrieben.«
    »Was stand darin? Kannst du es mir aufsagen?«
    Caesar schüttelte den Kopf. »Ich konnte das damals noch nicht so gut, deshalb sage ich es dir lieber nicht auf. Eines Tages schreibe ich ein besseres, und dann gebe ich dir eine Abschrift.«
    Wie dumm von ihm, sich verleiten zu lassen, die alte Wunde wieder aufzureißen, weil er es schwierig fand, mit einem elfjährigen Jungen zu reden! Sulla schwieg und kämpfte mit den Tränen.
    Wie gewöhnlich war Aurelia am Schreibtisch beschäftigt, aber sie kam sofort, als Eutychus ihr meldete, wer ihren Sohn nach Hause gebracht hatte. Als sie sich im Empfangsraum hinsetzten, blieb Caesar dabei und beobachtete seine Mutter scharf. Was beschäftigte ihn wohl, fragte sich Sulla, dem die Anwesenheit des Jungen lästig war, weil sie ihn daran hinderte, Aurelia zu fragen, was er wissen wollte. Zum Glück bemerkte sie seine Unruhe bald und schickte ihren Sohn weg. Er ging sichtbar widerstrebend.
    »Was ist los mit ihm?«
    »Ich habe den Verdacht, Gaius Marius hat irgendeine Bemerkung gemacht, die ihm eine falsche Vorstellung von meiner Freundschaft mit dir gegeben hat, Lucius Cornelius«, sagte Aurelia ruhig.
    »Ihr Götter! Der alte Schurke! Wie kann er nur?«
    Die schöne Aurelia lachte fröhlich. »Über solche Dinge rege ich mich schon lange nicht mehr auf. Als mein Onkel Publius Rutilius an Gaius Marius nach Asia Minor geschrieben und ihm mitgeteilt hat, seine Nichte sei soeben von ihrem Ehemann geschieden worden, nachdem sie einen rothaarigen Sohn zur Welt gebracht habe, haben Julia und Gaius Marius bestimmt sofort gedacht, die Nichte sei ich — und das Baby sei von dir. Da bin ich ganz sicher.«
    Jetzt mußte Sulla lachen. »Kennen sie dich so schlecht? Deine Schutzwälle sind schwerer zu durchbrechen als die von Nola.«
    »Stimmt. Aber immerhin hast du es versucht.«
    »Ich bin ein Mann wie jeder andere.«
    »Keineswegs. Nur keine falsche Bescheidenheit!«
    Caesar hörte von seinem Versteck über der doppelten Decke des Arbeitszimmers aus zu und spürte eine enorme Erleichterung — also war seine Mutter doch eine tugendhafte Frau. Aber dann wurde dieses Gefühl von einem anderen abgelöst, mit dem er viel schwerer zurechtkam — warum zeigte sie ihm niemals diese Seite ihres Wesens? Dort unten saß sie, lachend, entspannt und in eine Art neckisches Geplänkel verwickelt, das, soviel verstand er schon, erwachsen und weltläufig war. Sie mochte diesen abstoßenden Mann, sprach zu ihm wie zu einem guten alten Freund. Sie war zwar nicht Sullas Geliebte, aber es

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