MoR 02 - Eine Krone aus Gras
untergekommen ist!« Pompeius konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. »Der Feind ist der Feind! Du kannst doch wohl kein Mitleid mit Leuten haben, die sich nicht nur Rom widersetzt, sondern einen römischen Prätor ermordet und Hunderte von römischen Männern, Frauen und Kindern in Stücke gerissen haben! Buchstäblich! Aber geh nur und schlafe unter einem Baum, wenn es sein muß. Ich werde mich um das Täubchen kümmern, das dir zugedacht war.«
Sie verließen den Platz und gingen eine kurze, breite Straße zum Haupttor entlang. Und dort waren sie wieder: eine endlose Reihe von Köpfen, grausige Trophäen mit zerfetzten Hälsen und von Vögeln zerpickten Gesichtern, rechts und links auf den Zinnen, so weit das Auge reichte. Cicero würgte, aber er hatte inzwischen soviel Erfahrung damit, sich nicht für immer und ewig in den Augen des Konsuls Strabo mit Schande zu bedecken, daß er sich auch jetzt nicht vor seinem alten Freund, der sorglos weiterplapperte, mit Schande bedeckte.
»Es gab hier nichts, das man in einem Triumphzug hätte vorführen können«, sagte Pompeius, »aber ich habe ein hervorragendes Netz zum Fallenstellen für wilde Jagdvögel gefunden. Und mein Vater hat mir mehrere Eimer voll Bücher gegeben, eine Ausgabe meines Großonkels Lucilius, die wir beide noch nie gesehen hatten. Sie muß wohl die Arbeit eines hiesigen Kopisten sein, jedenfalls ist es ein wertvoller Besitz. Wirklich schön.«
»Sie haben nichts zu essen und keine warme Kleidung«, sagte Cicero.
»Wer?«
»Die Frauen und Kinder, die aus der Stadt vertrieben wurden.«
»Hoffentlich nicht!«
»Und was geschieht mit der Schweinerei dort drinnen?«
»Meinst du die Leichen?«
»Ja, ich meine die Leichen. Und das Blut. Und die Köpfe.«
»Mit der Zeit werden sie verwesen.«
»Und Krankheiten bringen.«
»Wem denn? Wenn mein Vater die Tore für immer zunageln läßt, wird es in Asculum Picentum keinen lebenden Menschen mehr geben. Wenn von den Frauen und Kindern jemand zurückschleichen will, nachdem wir weg sind, können sie nicht hinein. Mit Asculum Picentum ist es vorbei. Dort wird nie wieder jemand leben«, sagte Pompeius.
»Jetzt verstehe ich, warum sie deinen Vater den Schlächter nennen.« Cicero war es gleichgültig, ob diese Bemerkung seinen Freund beleidigte.
Pompeius faßte sie aber als Kompliment auf, seine Intelligenz hatte einige merkwürdige Lücken an den Stellen, wo seine Überzeugungen so stark waren, daß sie weder angekratzt noch gar erschüttert werden konnten. »Ein guter Name, nicht wahr?« fragte er rauh und fürchtete, daß seine Liebe zu seinem Vater so stark war, daß sie an Schwäche grenzte. Er beschleunigte seinen Schritt. »Bitte, Marcus Tullius, geh ein wenig schneller! Ich will nicht, daß die anderen Strolche ohne mich anfangen. Schließlich ist es doch meinem Einfluß zu verdanken, daß wir die Frauen überhaupt bekommen haben.«
Cicero beeilte sich. Aber er war noch nicht fertig. »Gnaeus Pompeius, ich muß dir etwas sagen«, keuchte er.
»Ja?« fragte Pompeius, deutlich geistesabwesend.
»Ich habe um meine Versetzung nach Capua gebeten, wo meine Talente wahrscheinlich nützlicher für die Beendigung dieses Krieges sind. Ich habe an Quintus Lutatius geschrieben, und ich habe eine Antwort bekommen. Er hat geschrieben, meine Dienste seien ihm höchst willkommen. Oder Lucius Cornelius Sulla.«
Pompeius war stehengeblieben. Er starrte Cicero verblüfft an. »Aber warum hast du das getan?«
»Der Stab deines Vaters besteht aus Soldaten, Gnaeus Pompeius. Ich bin kein Soldat.« Ciceros braune Augen blickten mit großem Ernst und sehr sanft in das Gesicht seines verwirrten Mentors, der nicht recht wußte, ob er lachen oder sich ärgern sollte. »Bitte, laß mich gehen! Ich werde dir immer dankbar sein und niemals vergessen, wieviel du mir geholfen hast. Aber du bist kein Narr, Gnaeus Pompeius. Der Stab deines Vaters ist nicht der richtige Platz für mich.«
Die Gewitterwolken verschwanden, Pompeius’ blaue Augen strahlten glücklich. »Mach, was du willst, Marcus Tullius!« Dann seufzte er. »Weißt du, daß du mir fehlen wirst?«
Sulla traf Anfang Dezember in Rom ein. Er hatte keine Ahnung, wann die Wahlen stattfinden würden. Seit Asellios Tod hatte Rom keinen Stadtprätor mehr, und die Leute sagten, daß der verbliebene Konsul Pompeius Strabo erst kommen werde, wenn er es für richtig halte, keinen Augenblick früher. Unter normalen Umständen hätte das Sulla zur Verzweiflung
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