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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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getrieben, aber diesmal wußten alle, wie der nächste Konsul heißen würde. Sulla war über Nacht berühmt geworden. Männer, die er nicht kannte, begrüßten ihn wie einen Bruder, Frauen lächelten ihn an und warfen ihm aus den Augenwinkeln einladende Blicke zu, die Menge jubelte ihm zu — und er war in absentia anstelle des verstorbenen Asellio zum Auguren gewählt worden. Ganz Rom war fest davon überzeugt, daß er, Lucius Cornelius Sulla, den Krieg gegen die Italiker gewonnen hatte, nicht Gaius Marius, nicht Gnaeus Pompeius Strabo, sondern er, Lucius Cornelius Sulla.
    Der Senat war nie dazu gekommen, ihn nach Konsul Catos Tod formell zum Oberbefehlshaber des südlichen Kriegsschauplatzes zu ernennen. Er hatte all seine Taten als Legat des Verstorbenen vollbracht, aber bald würde er der neue Konsul sein, und dann mußte ihm der Senat jeden Oberbefehl geben, den er haben wollte. Sulla amüsierte sich sehr, wenn er sah, wie verlegen manche Senatsführer, etwa Lucius Marcius Philippus, auf die Heldentaten eines Legaten reagierten. Sie hatten ihn nicht recht ernst genommen und ihm nicht viel zugetraut. Und nun war er der Held Roms.
    Einer seiner ersten Besuche nach der Rückkehr galt Gaius Marius. Sulla wunderte sich über die großen Fortschritte, die Marius inzwischen gemacht hatte. Bei dem alten Mann war Aurelias Sohn Gaius Julius Caesar. Er war, obgleich erst elf Jahre, fast ebensogroß wie Sulla. Ein erstaunliches Kind, dachte Sulla, intelligent wie eh und je und insgesamt in allen Dingen gewachsen, die ihm bei seinen früheren Besuchen bei Aurelia an dem Knaben aufgefallen waren. Caesar hatte sich ein Jahr lang um Marius gekümmert und mit den wißbegierigen Ohren eines ungezähmten Geschöpfes jedes Wort seines Lehrmeisters in sich aufgesogen. Kein Wort war ihm entgangen, und er hatte keines vergessen.
    Sulla erfuhr von Marius von dem beinahe erfolgten Sturz des jungen Marius. Inzwischen war er unter Cinna und Cornutus gegen die Marser im Einsatz und offenkundig ruhiger und verantwortungsbewußter geworden. Sulla hörte auch von dem beinahe tödlichen Sturz des jungen Caesar, der still dasaß, als die Geschichte erzählt wurde, ein wenig lächelte und ins Leere starrte. Daß Lucius Decumius bei diesem Vorfall dabeigewesen war, alarmierte Sulla. Das war nicht die Art von Gaius Marius! Wohin war es mit dieser Welt gekommen, wenn Gaius Marius sich dazu herabließ, einen berufsmäßigen Mörder zu dingen? Der Tod von Publius Claudius Pulcher war so klar und offenkundig ein Unfall, daß Sulla genau wußte, es konnte kein Unfall gewesen sein. Aber wie war die Tat vollbracht worden? Und was hatte Caesar damit zu tun? War es wirklich möglich, daß dieses Kind sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um Publius Claudius Pulcher einen Felsen hinabzustoßen? Nein! Nicht einmal ein Sulla traute sich das zu, wenn es um einen Mord ging.
    Sulla heftete seinen Blick, der so viele Menschen verunsicherte, auf den Jungen, während Marius weitererzählte — er hielt das Eingreifen von Lucius Decumius offensichtlich für unnötig —, und konzentrierte sich darauf, Caesar Angst einzujagen. Der Junge spürte den eisigen Blick, aber sah einfach auf und zu Sulla hinüber, ohne eine Spur von Angst, ohne die geringste Beunruhigung. Er lächelte auch nicht, er sah Sulla nur mit großem, nüchternem Interesse an. Er erkennt, wer und was ich bin, ging es Sulla durch den Kopf — aber ich erkenne auch, wer und was du bist, Caesar! Mögen die Götter Rom vor uns beiden schützen.
    Marius war ein großmütiger Mann und empfand nichts anderes als Freude über Sullas Erfolg. Sogar zur Verleihung der Graskrone — die einzige militärische Auszeichnung, die Marius nicht erlangt hatte — beglückwünschte er Sulla ohne Groll oder Neid.
    »Was sagst du nun? Kann man gutes Befehlen lernen oder nicht?« fragte Sulla herausfordernd.
    »Ich sage, daß ich unrecht hatte, Lucius Cornelius. Nicht in bezug auf das Befehlenlernen! Ich hatte unrecht, weil ich dachte, es läge dir nicht im Blut. Aber es liegt dir durchaus im Blut. Gaius Cosconius auf dem Seeweg nach Apulia zu schicken war ein genialer Einfall. Du hast den Feind auf eine Art und Weise in die Zange genommen, die kein Mensch, und wäre er noch so gut ausgebildet, zuwege gebracht hätte. Das war die Leistung eines geborenen Feldherrn.«
    Diese Antwort hätte Sulla zutiefst beglücken und befriedigen sollen, aber das tat sie nicht. Sulla hatte das Gefühl, daß Marius sich noch immer

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