MoR 02 - Eine Krone aus Gras
herrschte eine Vertrautheit zwischen ihnen, die es zwischen ihr und seinem Vater nicht gab. Sein Vater. Ungeduldig wischte er seine Tränen ab, legte sich leise der Länge nach hin und zwang seinen Geist zu so viel Gelassenheit, wie er in jener Zeit aufbringen konnte, wenn er sich sehr anstrengte. Vergiß, daß sie deine Mutter ist, Gaius Julius Caesar! Vergiß, wie sehr du ihren Freund Sulla verabscheust! Höre ihnen zu und lerne.
»Du wirst bald Konsul sein«, sagte sie in diesem Augenblick.
»Mit zweiundfünfzig. Älter als Gaius Marius damals war.«
»Und Großvater! Hast du das Baby schon gesehen?« »Ach bitte, Aurelia! Wahrscheinlich werde ich früher oder später Arm in Arm mit Aelia in Quintus Pompeius’ Haus herumlaufen, zu Abend essen und dem Baby die Bäckchen streicheln müssen. Aber warum sollte mir die Geburt der Tochter einer Tochter so wichtig sein, daß ich sofort hinrenne und mir das Gör ansehe?«
»Die kleine Pompeia ist ganz entzückend!«
»Dann möge sie soviel Verwüstung anrichten wie Helena von Troja!«
»Sag das nicht! Ich habe immer gedacht, daß die arme Helena ein höchst unglückliches Leben hatte. Ein Gegenstand. Ein Spielzeug fürs Bett«, sagte Aurelia empört.
»Frauen sind Gegenstände«, sagte Sulla lächelnd.
»Ich nicht! Ich habe meinen eigenen Besitz und meinen eigenen Wirkungskreis.«
Sulla wurde ernst. »Die Belagerung von Asculum Picentum ist vorbei. Gaius Julius kann jeden Tag nach Hause kommen. Und was ist dann mit all deinen forschen Reden?«
»Bitte nicht, Lucius Cornelius! Ich habe ihn von Herzen gern, aber ich fürchte den Augenblick, in dem er zur Tür hereinkommt. Er wird an allem etwas auszusetzen haben, von den Kindern bis zu meiner Rolle als Hauswirtin, und ich werde mich verzweifelt bemühen, es ihm recht zu machen, bis er irgendeinen Befehl erteilt, den ich nicht gutheißen kann!«
»Und dann, meine arme Aurelia, wirst du ihm sagen, daß er unrecht hat, und der Ärger geht los«, sagte Sulla zärtlich.
»Würdest du es vielleicht mit mir aushalten?« fragte sie scharf.
»Nicht einmal, wenn du die einzige Frau auf der Welt wärst, Aurelia.«
»Aber Gaius Julius hält es mit mir aus.«
»Oh je! Was für eine Welt!«
»Sei nicht so unverschämt!« fauchte sie.
»Dann wechsle ich lieber das Thema.« Sulla lehnte sich zurück und stützte sich auf beide Hände. »Wie geht es der Witwe von Scaurus?«
Ihre veilchenblauen Augen funkelten. »Beim Castor! Bist du denn noch immer an ihr interessiert?«
»Außerordentlich.«
»Ich glaube, sie steht unter der Vormundschaft eines relativ jungen Mannes: des Bruders von Livius Drusus, Mamercus Aemilius Lepidus Livianus.«
»Ich kenne ihn. Er hilft Quintus Lutatius in Capua, aber er hat mit Titus Didius in Herculaneum gekämpft und war mit Publius und Aulus Gabinius in Lucania. Er ist ein stämmiger Bursche, einer von der Sorte, die jedermann für das Salz der Erde hält.« Er setzte sich auf und sah plötzlich so wachsam aus wie eine Katze, die eine Beute erspäht hat. »Weht der Wind daher? Wird sie Lepidus Livianus heiraten?«
Aurelia lachte. »Das bezweifle ich! Er ist mit einer ziemlich gräßlichen Frau verheiratet, die ihn fest unter dem Pantoffel hat. Eine Claudia, eine Schwester von Appius Claudius Pulcher — du kennst die Geschichte, seine Frau zwang Lucius Julius, in der Toga den Tempel der Juno Sospita zu reinigen. Zwei Monate später starb sie bei der Geburt eines Kindes.«
»Sie ist die Cousine meiner Delmatica — die tote Balearica, meine ich«, sagte Sulla mit einem Grinsen.
»Alle sind mit ihr verwandt.«
Sulla war auf einmal sehr lebhaft. »Glaubst du, meine Delmatica hätte derzeit Interesse an mir?«
Aurelia schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung! Das ist eine ehrliche Antwort, Lucius Cornelius. Ich habe keinerlei Kontakte zu meinen Geschlechtsgenossinnen außerhalb der engsten Verwandtschaft.«
»Dann solltest du vielleicht die Bekanntschaft mit ihr vertiefen, wenn dein Mann nach Hause kommt. Du hast dann auf alle Fälle mehr Freizeit«, sagte Sulla spitzbübisch.
»Es reicht, Lucius Cornelius! Mach, daß du nach Hause kommst.«
Sie gingen zusammen zur Tür. Sobald ihre Gestalten aus dem Gesichtsfeld von Caesars Guckloch verschwunden waren, kam er von der Decke herunter und verschwand unbemerkt.
»Wirst du mir zuliebe Kontakt mit Delmatica pflegen?« fragte Sulla seine Gastgeberin, als sie ihm die Tür öffnete.
»Nein, das werde ich nicht. Wenn du so heftig an ihr
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