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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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und der ihm verboten hatte, sein Reich zu verteidigen und sich direkt beim Senat und Volk von Rom zu beschweren.
    In diesem Augenblick, als er auf die gebeugte, stinkende Gestalt des Manius Aquillius hinabsah, verlor Mithridates den letzten Respekt vor Rom. Wovor hatte er sich bisher gefürchtet? Warum nur hatte er sich von diesem lächerlichen Schwächling auf die Knie zwingen lassen? Er, Mithridates von Pontos, war viel mächtiger als Rom! Vier kleine Armeen, nicht einmal zwanzigtausend Mann! Manius Aquillius verkörperte das, was Rom wirklich war, nicht ein Gaius Marius oder ein Lucius Cornelius Sulla. Der König war aufgrund zweier ganz untypischer Römer einem Mythos erlegen! Das wahre Rom kauerte hier zu seinen Füßen.
    »Prokonsul!« rief der König mit scharfer Stimme.
    Aquillius blickte auf, war aber zu schwach, um zu antworten.
    »Prokonsul von Rom, ich habe beschlossen, dir das Gold zu schenken, das du so begehrst.«
    Die Wachen schleppten Manius Aquillius auf das Podest und drückten ihn auf einen Schemel, der in einiger Entfernung links vom König aufgestellt war. Seine Arme und Hände wurden mit Hilfe breiter Riemen eng an den Körper geschnürt, dann hielten zwei Wachen rechts und links die Riemen so fest, daß er sich nicht mehr rühren konnte. Dann näherte sich ein Schmied, der mit zwei Zangen einen rotglühenden Schmelztiegel hielt. Der Tiegel war groß genug, um mehrere Becher flüssigen Metalls zu fassen. Rauch und ein scharfer, sengender Geruch stiegen auf.
    Ein dritter Wachmann stellte sich hinter Aquillius, packte ihn beim Schopf und riß seinen Kopf nach hinten. Dann griff er nach seiner Nase und drückte erbarmungslos die Nasenflügel zusammen. Aquillius öffnete automatisch den Mund und schnappte nach Luft. In diesem Augenblick ergoß sich ein zäher, herrlich glitzernder Strom flüssigen Goldes in den nach Luft hungernden Rachen, und je mehr Aquillius schrie und sich auf dem Schemel wand, desto mehr Flüssigkeit strömte nach, bis er tot war, Rachen, Kinn und Brust eine Kaskade erstarrten Goldes.
    »Schneidet ihn auf und holt alles bis auf den letzten Tropfen wieder heraus«, befahl der König. Aufmerksam sah er zu, wie das Gold sorgfältig von Manius Aquillius’ Innerem und Äußerem abgekratzt wurde.
    »Werft seine Leiche den Hunden vor.« Der König erhob sich von seinem Thron, trat auf das Podest hinab und schritt gleichgültig an den zusammengekrümmten, verstümmelten Überresten des römischen Prokonsuls Manius Aquillius vorbei.

    Alles ging nach Plan! Keiner wußte das besser als König Mithridates. Er schlenderte über die hoch über Pergamon gelegenen, luftigen Terrassen und wartete auf das Ende des Monats Gamelion, des römischen Quintilis. Von Aristion aus Athen hatte er die Nachricht erhalten, daß auch dort alles planmäßig verlief.
    Nichts kann uns mehr aufhalten, mächtiger Mithridates. Sechs Monate lang sprach ich auf der Agora, und ich konnte nach und nach meine Gegner zerstreuen und Anhänger um mich scharen. Ich habe die erfreuliche Mitteilung zu machen, daß ich eben zum militärischen Führer Athens gewählt worden bin — ich schreibe dies in der Mitte des Monats Poseideon. Ich kann mir sogar meine Mitarbeiter frei auswählen. Natürlich habe ich Männer gewählt, die fest davon überzeugt sind, daß der Griechen Heil allein in Deiner Hand liegt, großer König, und die den Tag kaum erwarten können, da Du Rom unter Deinen Löwenpranken zertrittst.
    Ich habe Athen jetzt vollständig unter Kontrolle, auch den Hafen Piräus. Leider konnten die römischen Elemente und meine erklärten Feinde die Flucht ergreifen, bevor ich mich ihrer annehmen konnte. Diejenigen aber, die töricht genug waren, dazubleiben — die meisten reichen Athener wollten nicht wahrhaben, daß ihnen Gefahr drohte —, wurden vernichtet. Ich habe die Vermögen der Geflohenen sowie der Toten konfiszieren und einem Fond zuführen lassen, der unseren Krieg gegen Rom mitfinanzieren soll.
    Ich muß halten, was ich meinen Wählern versprochen habe, möchte jedoch Deinen Plänen, großer König, nicht im Wege stehen. Ich habe ihnen versprochen, die Insel Delos zurückzuerobern, die jetzt noch unter römischer Verwaltung steht. Delos ist ein sehr gewinnträchtiges Handelszentrum, das für das ehemalige Machtzentrum Athen eine unerschöpfliche Geldquelle war. Anfang des Monats Gamelion wird mein Freund Apellikon, ein ausgezeichneter Admiral und erfahrener Feldherr, einen Feldzug gegen Delos anführen. Die

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