MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Karien und hielt noch immer der Belagerung durch die pontischen Truppen stand. Das unbedeutendere Stratonikeia lag von Pergamon aus gesehen weiter landeinwärts am Kaikos und hatte Mithridates unbedingte Treue erklärt. Als der König im Triumphzug in die Stadt einritt, wurde er von den Bewohnern mit Jubel und einem Blütenregen empfangen.
In der Menschenmenge fiel ihm eine junge Griechin auf, die er unverzüglich holen ließ. Sie hieß Monima, war von zarter Blässe und hatte weiße Haare und nahezu unsichtbare Augenbrauen und Wimpern, was ihr eine merkwürdige, nackte Schönheit verlieh, und ihre glänzenden, mattrosa Augen waren von einer seltsamen Exotik. Der König reihte sie in die Schar seiner Frauen ein. Ihr Vater Philopoimen wagte nicht zu widersprechen, erst recht nicht, als der König ihn und Monima mit nach Süden nahm und ihn in Ephesos zum Satrapen ernannte.
In Ephesos widmete Mithridates sich dem reichen Angebot an Zerstreuungen und seiner Albinobraut und fand daneben noch Zeit, der Insel Rhodos die lakonische Aufforderung zu schicken, sie habe sich zu ergeben und den Statthalter Gaius Cassius auszuliefern. Die umgehende Antwort auf beide Forderungen war ein entschiedenes Nein. Rhodos sei ein Freund und Verbündeter Roms und werde seine Bündnispflichten notfalls bis zum Tod verteidigen.
Zum ersten Mal, seitdem er sich an die Verwirklichung seiner Pläne gemacht hatte, verlor der König die Fassung. Die pontischen Höflinge und die Speichellecker aus Ephesos duckten sich ängstlich, als der König im Audienzsaal hin- und herstürmte, bis seine Wut verflog und er sich finster auf seinen Thron setzte, das Kinn in die Hände gestützt, die Lippen zusammengepreßt und Spuren von Tränen auf den fleischigen Wangen.
Von diesem Augenblick an verlor er das Interesse an allen anderen Unternehmungen, die er in die Wege geleitet hatte, und konzentrierte sich nur noch darauf, die Unterwerfung von Rhodos zu erzwingen. Wie konnten sie es wagen, ihm zu trotzen? Eine unbedeutende Insel bildete sich ein, gegen die Macht aus Pontos bestehen zu können! Nun, sie würden bald erleben, daß sie gegen ihn keine Chance hatten.
Seine Flotten manövrierten in der westlichen Ägäis und durften wegen einer so unbedeutenden Angelegenheit wie der Eroberung einer kleinen Insel nicht von dort abgezogen werden. Der König forderte deshalb Smyrna, Ephesos, Priene, Milet, Halikarnassos und die Inseln Chios und Samos auf, die benötigte Anzahl von Schiffen zur Verfügung zu stellen. Da er zwei Armeen in der Provinz Asia belassen hatte, verfügte er über eine ausreichend große Anzahl von Landstreitkräften, aber aufgrund des hartnäckigen Widerstands der lykischen Städte Patara und Termessos konnte er mit seinen Truppen nicht zu den Stränden und Buchten Lykiens marschieren, von wo aus sich eine Invasion der Insel am besten bewerkstelligen ließ. Und die Flotte von Rhodos hatte zu Recht einen guten Ruf. Sie lag größtenteils auf der Westseite der Insel, und von dort konnte man Angreifer aus Halikarnassos und Knidos frühzeitig sehen. Da Lykien als Ausgangsbasis nicht in Frage kam, mußte Mithridates’ Angriff aus dieser Richtung erfolgen.
Für den Angriff brauchte er einige hundert Transportschiffe und sämtliche Kriegsschiffe, die die Provinz Asia aufbieten konnte. Die Schiffe wurden nach Halikarnassos beordert, der von Gaius Marius so geliebten Stadt. Ende September ließ Mithridates eine seiner Armeen dort einschiffen. Sein eigener, riesiger und vollständig überdeckter »Sechzehner« überragte die anderen Schiffe deutlich und war auch durch den goldroten Baldachin, der am Heck über dem Thron aufgespannt war, leicht zu unterscheiden. Auf dem Thron saß Mithridates, der über alles herrschte, was er um sich sah, und der seine Macht genoß.
Obwohl die großen Kriegsschiffe ausgesprochen träge und langsam waren, waren sie doch schneller als die Transportschiffe, ein buntes Sammelsurium der verschiedensten Schiffstypen, die ursprünglich dafür gebaut worden waren, in Küstennähe zu verkehren. Als die schnellsten Schiffe der Flotte die Landspitze von Knidos umrundeten und das offene Meer vor sich hatten, zog sich deshalb eine lange Schlange von Schiffen über die ganze Strecke bis nach Halikarnassos, wo gerade die letzten Transportschiffe mit verängstigten pontischen Soldaten beladen wurden und in See stachen.
Die leicht bemannten, schnellen Triremen der rhodischen Flotte, die nur zum Teil über ein Deck verfügten,
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