Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
Statthalter wurde gefangengesetzt und auf dem Marktplatz von Laodikeia an einen Pfahl gefesselt. Unter dem brüllenden Gelächter der Anwesenden befahl der König dem Pöbel, Quintus Oppius mit Dreck, fauligen Eiern, verschimmeltem Gemüse und anderen Dingen zu bewerfen. Steine oder Holzknüppel waren nicht erlaubt, denn der König hatte nicht vergessen, daß Pelopidas Quintus Oppius einen Ehrenmann genannt hatte. Nach zwei Tagen wurde Oppius mehr oder weniger unversehrt losgebunden und nach Tarsos zurückgeschickt. Allerdings mußte er zu Fuß gehen.
    Als Gaius Cassius von Oppius’ Schicksal erfuhr, ließ er seine Soldaten in Apameia im Stich und floh mutterseelenallein auf dem Rücken eines Kleppers in Richtung Milet. Nur der Mäander trennte ihn von Mithridates. Die pontischen Truppen um Laodikeia konnte er umgehen, in der Stadt Nysa jedoch wurde er erkannt und vor den Hohenpriester Chairemon gebracht. Cassius’ Todesangst verwandelte sich in Freude, als er in Chairemon einen glühenden Anhänger Roms kennenlernte, der nichts lieber tat, als ihm zu helfen, wo es nur ging. Cassius verschlang ein üppiges Mahl, bedauerte, nicht länger bleiben zu können, bestieg ein frisches Pferd und galoppierte nach Milet, wo er ein schnelles Schiff ausfindig machte, das ihn bis Rhodos mitnahm. Sicher in Rhodos angekommen, erwartete ihn die unangenehme Aufgabe, in einem Brief an den Senat und das Volk von Rom die ernste Lage in Kleinasien überzeugend zu schildern, ohne seine eigene Schuld an der Niederlage allzudeutlich hervorzuheben. Verständlicherweise konnte ein solcher Kraftakt nicht an einem Tag oder in einem Monat vollbracht werden. Aus Angst, seine Schuld eingestehen zu müssen, zögerte Gaius Cassius Longinus den Brief immer weiter hinaus.
    Mit Ausnahme einiger kleiner Städte, die mutig der Unein- nehmbarkeit ihrer Befestigungsmauern und der Schutzmacht Rom vertrauten, waren bis Ende Juni ganz Bithynien und die Provinz Asia in die Hände Mithridates’ gefallen. Eine Viertel Million pontischer Soldaten ergriffen Besitz von den üppig grünen Weiden zwischen Nikomedeia und Mylasa. Die meisten von ihnen waren Barbaren aus dem Norden—Kimmerier, Skythen, Sarmaten, Roxolanen und Kaukasier. Nur ihre wohlbegründete Angst vor König Mithridates hielt sie davon ab, zu desertieren.
    Die ionischen und dorischen Städte und Seehäfen der Provinz Asia gaben sich alle Mühe, den Potentaten aus dem Osten mit der angemessenen Unterwürfigkeit zu behandeln. Der während der vierzigjährigen römischen Besatzung angestaute Haß kam dem König nun zugute. Er schürte die antirömische Stimmung noch, indem er verkündete, weder für das laufende noch für die folgenden fünf Jahre Steuern, einen Zehnten oder sonstige Abgaben erheben zu wollen. Sämtliche Schulden bei römischen oder italischen Gläubigern wurden für nichtig erklärt. Diese Maßnahmen hatten zur Folge, daß die Bewohner der Provinz Asia sich unter der pontischen Herrschaft ein besseres Leben erhofften als unter der römischen Herrschaft.
    Der König zog das Tal des Mäander abwärts und dann die Küste entlang in Richtung Norden nach Ephesos, einer seiner Lieblingsstädte. Hier schlug er vorübergehend sein Hauptquartier auf und hielt Gericht. Besonders beliebt machte er sich bei den Bewohnern der Provinz Asia durch die Bekanntmachung, allen Milizionären, die sich ihm auslieferten, würde vergeben. Die Milizionäre sollten die Freiheit erhalten und außerdem Geld für die Heimreise. Wer seinem Haß auf Rom am lautesten Ausdruck verlieh, bekam in den Städten und Distrikten einen hohen Posten. Die schwarzen Listen von Sympathisanten und Handlangern Roms wurden immer länger, denn das Spitzelwesen blühte und gedieh.
    Hinter der Freude und den Schmeicheleien verbarg sich jedoch das Entsetzen derjenigen, die wußten, wie grausam und launenhaft der König war und wie trügerisch seine scheinbare Güte. Wer heute noch in seiner Gunst stand, konnte schon morgen hingerichtet werden. Und man konnte nie wissen, wann die Stimmung umschlagen würde.

    Ende Juni gab der König von Pontos in Ephesos drei Befehle aus.
    Alle drei waren geheim, der dritte sogar streng geheim.
    Mithridates liebte es, solche Befehle auszugeben und anzuordnen, wer wohin mit welchem Auftrag gehen sollte — ja, er würde die Puppen tanzen lassen! Sollten andere, unbedeutendere Menschen sich mit den Details auseinandersetzen. Ihm allein kam das Verdienst zu, die umfassenden, ineinandergreifenden Pläne

Weitere Kostenlose Bücher