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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Marius scheint entschlossen, Dich, großer König, zu treffen. Er bat mich, ihm zu helfen, Dich ausfindig zu machen, und als ich ihm keinerlei Ermutigung zuteil werden ließ, ließ er mich wissen, er werde in Kleinasien bleiben, bis er Dich getroffen habe.
    Unter anderem will er in nächster Zeit Nikomedes und Ariarathes besuchen. Man muß sich fragen, wieso er die Mühen einer Reise nach Kappadokien auf sich nehmen will. Besonders jung ist er nämlich nicht mehr, und ich glaube, auch gesundheitlich ist er nicht ganz auf der Höhe. Aber er hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er im Frühling nach Tarsos und von dort nach Kappadokien fahren will.
    Ich halte ihn für einen sehr fähigen Mann, großer König. Einen Mann wie ihn, der es fertig gebracht hat, nicht weniger als sechs Mal römischer Konsul zu werden — dabei ist er ein eher derber und ungehobelter Mensch —, darf man nicht unterschätzen. Die adligen Römer, die ich bisher traf, waren weitaus glattere, kultiviertere Männer. Schade, daß ich nicht die Gelegenheit hatte, Gaius Marius in Rom zu treffen. Vielleicht hätte ich dort, wo ich ihn neben seinesgleichen erlebt hätte, mehr mit ihm anfangen können, als es mir hier in Pessinus möglich war.
    Ich verbleibe als Dein Dir in ewiger Treue ergebener Battakes.
    Battakes versiegelte den Brief, schlug ihn in weiches Leder ein, legte ihn in eine Urkundenmappe und übergab ihn einem jüngeren Priester, der ihn schleunigst nach Sinope zu König Mithridates bringen sollte.

    Der Inhalt des Briefes behagte dem König gar nicht. Nachdenklich kaute Mithridates auf seiner vollen Unterlippe, und er runzelte so düster die Stirn, daß diejenigen seiner Höflinge, denen befohlen war, anwesend zu sein, aber nicht zu reden, froh waren, daß sie nichts sagen mußten, und Archelaos bedauerten, dem befohlen war, beim König zu sitzen und zu sprechen, wenn er etwas gefragt wurde. Nicht daß Archelaos beunruhigt schien. Der direkte Vetter des Königs und oberste Würdenträger war Diener und Freund, Vetter und Bruder des Königs.
    Hinter seiner zur Schau gestellten Sorglosigkeit war Archelaos freilich genauso auf seine persönliche Sicherheit bedacht wie alle anderen, die sich dem König zur Verfügung halten mußten. Wer glaubte, er stehe hoch in der Gunst des Königs, durfte das Schicksal des Diophantos nicht vergessen. Auch Diophantos war nicht nur Diener, sondern auch der Freund des Königs gewesen, ein Vater genauso wie der Onkel, der er tatsächlich war.
    Aber wie dem auch sei, dachte Archelaos, als er das starke, aber gereizte Gesicht betrachtete, das nur eine Armlänge von ihm entfernt war, man hatte keine Wahl. Der König war der König, er durfte allen anderen befehlen — und sie nach Belieben töten. Eine Sachlage, die sich höchst fördernd auf die Wachsamkeit derjenigen auswirkte, die in unmittelbarer Nähe von so viel Energie, Launenhaftigkeit, Kindlichkeit, Brillanz, Stärke und Ängstlichkeit leben mußten. Nur wer seine fünf Sinne beisammen hatte, überlebte die vielen gefährlichen Launen, die wie ein plötzlicher Sturm über dem Schwarzen Meer aufzogen, wie heiße Suppe auf glühenden Kohlen im Hinterkopf des Königs zu brodeln begannen oder sich einer längst vergessenen, zehn Jahre alten Verfehlung verdankten. Denn der König vergaß kein wirkliches oder eingebildetes Unrecht, das ihm angetan worden war. Er legte es nur beiseite, um später darauf zurückzukommen.
    »Ich werde ihn wohl treffen müssen«, sagte Mithridates und fügte hinzu: »Oder nicht?«
    Eine Falle! Was war die richtige Antwort?
    »Wenn du nicht willst, großer König, brauchst du niemanden zu treffen«, sagte Archelaos leichthin. »Ich könnte mir allerdings denken, daß es interessant wäre, Gaius Marius zu treffen.«
    »Dann also in Kappadokien«, sagte der König. »Im Frühjahr. Er soll zuerst Nikomedes treffen. Wenn dieser Gaius Marius so bemerkenswert ist, wird er von Nikomedes von Bithynien nicht besonders angetan sein. Und auch Ariarathes soll er zuerst treffen. Laß das kleine Insekt wissen, daß es sich im Frühjahr in Tarsos Gaius Marius vorstellen und den Römer persönlich nach Kappadokien eskortieren soll.«
    »Und das Heer wird wie geplant mobilisiert, großer König?«
    »Natürlich. Kommt Gordios?«
    »Er müßte in Sinope eintreffen, bevor der Winterschnee die Pässe unbegehbar macht, mein König.«
    »Gut!« Immer noch stirnrunzelnd wandte Mithndates seine Aufmerksamkeit wieder Battakes’ Brief zu und kaute auf

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