MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Götter von mir abkehren.«
»Könntest du nicht im Namen des kleinen Marius fragen?«
»Nein«, sagte Gaius Marius.
Sie fuhren auch nach Epidauros auf der nahen Halbinsel Peloponnes, und nachdem sie dort pflichtschuldig die Bauwerke und erlesenen Skulpturen des Thrasymedes von Paros besichtigt hatten, unterzog sich Marius dem Traumorakel, das von den Priestern des Asklepios durchgeführt wurde. Er nahm gehorsam einen Trank ein, ging dann in die Schlafräume neben dem Tempel und schlief die Nacht durch. Leider konnte er sich am nächsten Morgen an keine Träume erinnern, deshalb konnten die Priester ihm nur raten, sein Körpergewicht zu reduzieren, sich mehr körperlich zu betätigen und sich geistig nicht zu überanstrengen.
»Quacksalber, wenn du mich fragst«, sagte Marius verächtlich, nachdem er dem Gott zum Dank einen kostbaren, juwelenbesetzten Kelch aus Gold geschenkt hatte.
»Ganz vernünftige Leute, wenn du mich fragst«, sagte Julia mit einem Blick auf Marius’ füllige Taille.
So war es Oktober geworden, bis sie ein großes Schiff bestiegen, das regelmäßig zwischen Griechenland und Ephesos verkehrte, und von Piräus ablegten. Das hügelige Ephesos sagte Gaius Marius freilich nicht zu. Ärgerlich schnaufend marschierte er durch die gepflasterten Straßen der Stadt, und nach kurzer Zeit hatte er für seine Familie eine Passage ins weiter südlich gelegene Halikarnassos gebucht.
Hier, in der vielleicht schönsten ägäischen Hafenstadt der römischen Provinz Asia, ließ sich die Familie für den Winter in einer Mietvilla samt Personal und heizbarem Meerwasserbad nieder. Die Sonne schien zwar die meiste Zeit, aber zum Baden war es doch zu kalt. Die machtvollen Mauern, Türme und Befestigungen und die beeindruckenden öffentlichen Gebäude ließen die Stadt sicher und sehr römisch erscheinen, und ein so wundervolles Bauwerk wie das Mausoleum, ein Grabmal, das Artemisia, die Schwester und Gattin des Königs Mausolos, nach seinem Tod in untröstlichem Kummer für ihn hatte errichten lassen, gab es nicht einmal in Rom.
Im späten Frühjahr des nächsten Jahres machte sich die Reisegruppe auf den Weg nach Pessinus. Julia und der kleine Marius wären zwar gern noch geblieben, um den Sommer am Meer zu verbringen, aber daß sie sich gegen Marius nicht durchsetzen konnten, stand von vorneherein fest. Ob Invasoren oder Pilger — jeder, der von der kleinasiatischen Küste nach Zentralanatolien gelangen wollte, folgte dem Tal des Flusses Mäander. Auch Marius und seine Familie zogen das Tal entlang und bewunderten den Reichtum und die Kultur der Gegenden, durch die sie kamen. Sie sahen die Stadt Hierapolis mit ihren faszinierenden Kristallformationen und Mineralbädern, in der die Farbe der begehrten schwarzen Wolle durch die Salze des Wassers fixiert wurde. Dann überquerten sie, zunächst immer noch dem Mäander folgend, die hohen und zerklüfteten Berge und kamen in das wilde Waldland Phrygiens.
Pessinus selbst lag allerdings am entfernten Ende einer unbewaldeten Hochebene mit Weizenfeldern, die zu dieser Zeit grün leuchteten. Wie sich Marius von seinem Führer erklären ließ, besaß der Tempel der Magna Mater oder Kybele in Pessinus wie die meisten großen Heiligtümer Inneranatoliens riesige Ländereien und verfügte über ganze Armeen von Sklaven. Er war so reich und unabhängig, daß er praktisch einen eigenen Staat darstellte. Der einzige Unterschied zu einem Staat bestand darin, daß die Priester im Namen der Göttin regierten und die Schätze des Heiligtums hüteten, um die Macht der Göttin zu wahren.
Die Reisenden hatten eine prächtige Bergkulisse wie in Delphi erwartet und waren verblüfft, daß Pessinus tiefer als die Hochebene lag, in einer steilwandigen Schlucht aus schneeweißem Kalkstein. Das Heiligtum befand sich am Nordende der Schlucht, das enger und weniger fruchtbar war als der langgezogene südliche Teil. Die Gebäude waren quer über einen hier entspringenden Fluß gebaut, der in einen großen Fluß namens Sangarius mündete. Stadt und Tempel wirkten alt und ehrwürdig, obwohl die neueren Gebäude im griechischen Stil erbaut waren. Der große Tempel thronte am Abhang über der Talsohle. An seiner Vorderseite führte eine Freitreppe in einem Dreiviertelkreis steil nach unten. Auf den Stufen saßen Pilger, die auf eine Audienz mit einem Priester warteten.
»Ihr habt den Nabelstein unserer Göttin in Rom, Gaius Marius«, sagte der archigallos Battakes. »Wir haben ihn euch aus
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