MoR 02 - Eine Krone aus Gras
eine Braut aus dem seleukidischen Herrscherhaus, und da es dort gerade Prinzessinnen im Überfluß gab, bekam er eine Frau, die den Namen Antiochis trug. Außerdem holte er sich eine gewisse Nysa, die Tochter eines kappadokischen Prinzen namens Gordios, und gab eine seiner jüngeren Schwestern, die ebenfalls Laodike hieß, König Ariarathes VI. von Kappadokien zur Frau.
Durch Heiraten geschlossene Bündnisse mit anderen Staaten waren eine sehr nützliche Sache, wie er schnell feststellte. Sein Schwiegervater Gordios verschwor sich mit Mithridates’ jüngerer Schwester Laodike, um deren Mann, den König von Kappadokien, zu ermorden. Königin Laodike, die inzwischen seit anderthalb Jahrzehnten als Königin von Kappadokien amtierte, setzte ihren kleinen Sohn als Ariarathes VII. auf den kappadokischen Thron und regierte in Kappadokien im Auftrag ihres Bruders Mithridates, allerdings nur solange, bis sie den Schmeicheleien des alten Königs Nikomedes von Bithynien erlag, denn sie wollte in Kappadokien endlich unabhängig von Mithridates und seinem kappadokischen Wachhund Gordios herrschen. Gordios floh nach Pontos, Nikomedes nahm den Titel König von Kappadokien an, blieb aber selbst in Bithynien und erlaubte seiner neuen Frau Laodike, in Kappadokien frei zu schalten und walten, solange sie keine freundlichen Beziehungen zu Pontos knüpfte. Dieses Arrangement paßte Laodike sehr gut. Ihr kleiner Sohn war nun allerdings fast zehn Jahre alt, und wie alle Abkömmlinge aus orientalischen Königshäusern entwickelte er autokratische Gelüste: Er wollte selbst regieren. Nach einer Auseinandersetzung mit seiner Mutter mußte er einsehen, daß aus seinen Ansprüchen im Augenblick nichts werden konnte; sein Ziel verlor er deswegen freilich nicht aus den Augen. Einen Monat später stellte er sich in Amaseia am Hof seines Onkels Mithridates vor, und innerhalb eines weiteren Monats hatte sein Onkel Mithridates ihn als Alleinherrscher auf den Thron in Mazaka gesetzt, denn das pontische Heer befand sich im Unterschied zum kappadokischen in ständiger Einsatzbereitschaft. Unter den teilnahmslosen Augen ihres Bruders wurde Laodike getötet, und die Oberherrschaft Bithyniens in Kappadokien fand ein abruptes Ende. Zum Ärger von Mithridates weigerte sich der zehnjährige König Ariarathes VII. von Kappadokien allerdings, Gordios die Heimkehr zu erlauben. Der Junge bestand darauf, er könne nicht der Gastgeber des Mörders seines Vaters sein.
Die Wirren in Kappadokien nahmen nur einen kleinen Teil der Zeit des jungen Königs von Pontos in Anspruch. In den ersten Jahren seiner Herrschaft verwandte er seine Energie in erster Linie darauf, die pontische Armee zu vergrößern, ihre Schlagkraft zu erhöhen und den pontischen Staatsschatz aufzufüllen. Trotz seines protzigen Auftretens, der Angeberei mit dem Löwenfell und seiner Jugend war Mithridates nämlich ein Denker.
Mit einer Handvoll Adliger, die gleichzeitig eng mit ihm verwandt waren — seinem Onkel Archelaos, seinem Onkel Diophantos und seinen Vettern Archelaos und Neoptolemos —, bestieg er in Amisos ein Schiff und unternahm eine Reise entlang der Ostküste des Schwarzen Meeres. Die Männer reisten als griechische Händler verkleidet, die nach neuen Handelsverbindungen suchten, und niemand durchschaute die Verkleidung, denn die Völker, auf die sie trafen, waren weder gebildet noch kultiviert. Trapezus und Rhizus zahlten den Königen von Pontos schon lange Tribut und gehörten offiziell zu ihrem Reich, aber jenseits dieser beiden Städte, die durch das viele Silber aus den Minen im Landesinneren reich geworden waren, lag unbekanntes Land.
Die Expedition erkundete das sagenumwobene Kolchis, wo der Phasis ins Meer mündete. Die Menschen, die an den Ufern des Flusses lebten, hängten die Vliese von Schafen in das Wasser, um die Goldpartikel aufzufangen, die der Fluß vom Kaukasus herunterschwemmte. Staunend sahen die Reisenden zu Bergen auf, die noch höher waren als die von Pontos und Armenien und deren Hänge von ewigem Schnee bedeckt waren. Wachsam hielten sie nach den Nachkommen der Amazonen Ausschau, die einst in Pontos gelebt hatten, dort, wo der Thermodon sein Schwemmland ins Meer vorschob.
Dann erreichten sie die Ausläufer des Kaukasus, und vor ihnen öffneten sich endlose Ebenen, in denen Skythen und Sarmaten lebten. Die Sarmaten waren ein großes Volk und fast seßhaft. Sie hatten bereits Kontakt mit den Griechen gehabt, die an der Küste Kolonien gegründet hatten.
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