MoR 02 - Eine Krone aus Gras
erwartete Pompeius Rufus ihn schon.
»Das gefällt mir nicht«, jammerte der Konsul. »Ich kann dir nicht zustimmen. Du marschierst nach Rom! Eine schutzlose Stadt!«
»Wir marschieren nach Rom«, sagte Sulla ruhig. »Sei unbesorgt, Quintus Pompeius. Wir brauchen die schutzlose Stadt nicht anzugreifen. Mein Heer leistet mir lediglich Gesellschaft auf der Reise. Ich habe noch nie so streng auf Disziplin geachtet — über zweihundertfünfzig Zenturionen haben den Befehl, dafür zu sorgen, daß nicht eine Steckrübe vom Acker gestohlen wird. Die Männer haben eine ganze Monatsration Verpflegung dabei, und sie sind verständig.«
»Auf die Begleitung deines Heeres könnten wir gut verzichten.«
»Was, zwei Konsuln ohne angemessene Eskorte?«
»Wir haben unsere Liktoren.«
»Das ist ja interessant. Die Liktoren gehen also mit uns, die Militärtribunen dagegen nicht. Wer in sein Amt gewählt wurde, denkt offensichtlich anders über die neuen Machthaber Roms.«
»Warum bist du so zufrieden?« rief Pompeius Rufus verzweifelt aus.
»Ich weiß es selbst nicht.« Sulla verbarg seine Ungeduld hinter gespielter Überraschung. Es war an der Zeit, etwas Balsam auf die weiche Haut seines ängstlichen und zweifelnden Kollegen zu schmieren. »Wenn ich Grund habe, zufrieden zu sein, dann vielleicht deshalb, weil ich von den Torheiten auf dem Forum genug habe und genauso von Männern, die alte Traditionen geringschätzen und zerstören wollen, was unsere Ahnen so sorgfältig und geduldig aufgebaut haben. Ich will nur Rom wieder zu dem machen, was es einst war. Regiert und beschützt vom Senat, eine Stadt, in der Anwärter auf das Amt des Volkstribuns ihre Grenzen kennen und nicht Amok laufen. Einmal kommt die Zeit, Quintus Pompeius, wo man nicht mehr untätig zusehen darf, wie andere Männer Rom ruinieren. Männer wie Saturninus und Sulpicius. Aber vor allem Männer wie Gaius Marius.«
»Gaius Marius wird kämpfen«, sagte Pompeius Rufus niedergeschlagen.
»Womit? Seine nächste Legion steht in Alba Fucentia. Wahrscheinlich wird er Cinna und seine Truppen nach Rom beordern — Cinna ist auf seiner Seite, da bin ich sicher. Aber zwei Dinge werden ihn daran hindern, Quintus Pompeius. Einmal wird kein Römer glauben, daß ich meine Armee wirklich nach Rom führen werde — man wird es für einen Trick halten, niemand wird glauben, daß ich dieses Vorhaben bis zum bitteren Ende durchziehen will. Zweitens hat Gaius Marius weder Amt noch Imperium, er ist ein privatus. Wenn er Cinna um Hilfe bittet, ist das die Bitte eines Freundes, nicht der Befehl eines Konsuls oder Prokonsuls. Und Sulpicius wird kaum zulassen, daß Gaius Marius so etwas tut. Weil nämlich gerade Sulpicius mein Tun für einen Trick halten wird.«
Bestürzt sah Quintus Pompeius seinen Kollegen an — was hörte er da? Worte, aus denen er schließen konnte, daß Sulla fest vorhatte, in Rom einzumarschieren.
Zweimal — in Aquinum und in Ferentium — kamen römische Abgesandte Sullas Armee entgegen. Die Nachricht von Sullas Marsch auf Rom hatte sich blitzschnell herumgesprochen. Zweimal forderten die Abgesandten Sulla im Namen des Volkes auf, sein Kommando niederzulegen und die Armee nach Capua zurückzuschicken, und zweimal weigerte Sulla sich, das zu tun. Beim zweiten Mal sagte er den Abgeordneten noch: »Sagt Gaius Marius, Publius Sulpicius und den übriggebliebenen Senatoren, daß ich sie auf dem Marsfeld treffen will.«
Die Abgesandten jedoch mißtrauten dieser Einladung, die Sulla auch gar nicht ernstgemeint hatte.
In Tusculum traf Sulla dann auf den Stadtprätor Marcus Junius Brutus. Der Stadtprätor stellte sich ihm mitten auf der Via Latina in den Weg, an seiner Seite einen anderen Prätor zur moralischen Unterstützung. Die zwölf Liktoren der Prätoren — sechs für jeden — drängten sich am Straßenrand und gaben sich Mühe, die Äxte, die in ihren Ruten steckten, zu verbergen.
»Lucius Cornelius Sulla, im Namen des Senates und des Volkes von Rom verbiete ich dir, mit deiner Armee auch nur einen weiteren Schritt in Richtung Rom zu tun«, sagte Brutus. »Deine Legionen stehen unter Waffen und sind nicht auf dem Weg zu einem Triumphzug. Ich verbiete ihnen den Vormarsch.«
Sulla sagte kein Wort, mit steinerner Miene saß er auf seinem Maultier. Ein rüder Stoß beförderte die beiden Prätoren von der Straße zu ihren verängstigten Liktoren, und der Marsch nach Rom ging weiter. Kurz vor den Mauern Roms hielt Sulla an und teilte seine Truppen. Wer
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