MoR 02 - Eine Krone aus Gras
war er sich sicher: Es war richtig, daß er zu seinen Legionen zurückkehrte. Denn es waren seine Legionen — zumindest vier davon. Fast zwei Jahre lang hatte er sie geführt, und ihnen hatte er die Krone aus Gras zu verdanken. Die fünfte Legion war ebenfalls aus Campania und war zuerst von Lucius Caesar und dann von Titus Didius und von Metellus Pius befehligt worden. Irgendwann, als es um die Wahl einer fünften Legion für den Krieg gegen Mithridates gegangen war, war Sulla von seinem ursprünglichen Plan abgekommen und hatte keine der marianischen Legionen unter Cinna und Cornutus herbeibeordert. Und jetzt war er in der Tat sehr froh, daß er keine marianische Legion in Capua hatte.
»Das ist eben das Problem mit uns Senatoren«, sagte Sullas treuer Gefolgsmann Lucullus. »Wir müssen unser Geld traditionsgemäß in Land und Häusern anlegen, denn schließlich wollen wir unser Geld arbeiten sehen, und dann können wir, wenn wir plötzlich Bargeld brauchen, nicht genügend auftreiben. Also nehmen wir Kredite auf.«
»Hast du auch Schulden?« fragte Sulla. Er hatte gar nicht daran gedacht. Wie Gaius Aurelius Cotta war auch Lucius Licinius Lucullus schnell in den Senat befördert worden, nachdem Sulla die Zensoren öffentlich gerügt hatte. Lucullus war achtundzwanzig Jahre alt.
»Meine Schulden belaufen sich auf zehntausend Sesterze, Lucius Cornelius«, sagte Lucullus ruhig. »Ich hoffe jedoch, daß mein Bruder Varro sich angesichts der Lage in Rom inzwischen darum gekümmert hat. Er ist der einzige, der momentan Geld hat. Ich habe keines. Aber dank meines Onkels Metellus Numidicus und meines Vetters Pius werde ich es schaffen, im Senat zu bleiben.«
»Kopf hoch, Lucius Licinius! Wenn wir erst im Osten sind, können wir mit dem Gold des Mithridates spielen.«
»Was hast du vor?« fragte Lucullus. »Wenn wir schnell marschieren, können wir wahrscheinlich abfahren, bevor Sulpicius’ Gesetze in Kraft treten.«
Sulla schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich muß abwarten, was geschieht. Es wäre dumm abzufahren, solange mein Kommando unsicher ist.« Er seufzte. »Wahrscheinlich sollte ich endlich an Pompeius Strabo schreiben.«
Lucullus’ klare, graue Augen blickten den Feldherrn fragend an, er sagte jedoch nichts. Sulla wirkte auf jeden Fall wie jemand, der die Lage unter Kontrolle hat.
Sechs Tage später bekam Sulla einen Brief des Senatsvorsitzenden Flaccus, allerdings nicht mit dem offiziellen Kurier. Sulla erbrach das Siegel und las die wenigen Zeilen sorgfältig.
»Aha«, sagte er zu Lucullus, der ihm den Brief überbracht hatte, »jetzt besteht der Senat also offenbar nur noch aus vierzig Senatoren. Die von Varius verbannten Senatoren werden zurückgerufen — sie dürfen aber nicht mehr in den Senat, wenn sie Schulden haben, und sie haben natürlich alle Schulden. Die italischen Bürger und die Freigelassenen sollen auf alle fünfunddreißig Tribus verteilt werden. Und auch das noch: Lucius Cornelius Sulla ist seines Kommandos enthoben, und an seine Stelle beruft das Volk Gaius Marius.«
»Ach.« Lucullus war sprachlos.
Sulla warf das Papier zu Boden und winkte einen Sklaven herbei. »Brustpanzer und Schwert«, befahl er dem Mann. Dann sagte er zu Lucullus: »Berufe das gesamte Heer zu einer Versammlung ein.«
Eine Stunde später stieg Sulla in voller Kampfausrüstung auf die Rednerbühne des Feldlagers. Nur statt des Helmes hatte er einen Hut auf. Zeig dich ihnen im vertrauten Gewand, sagte er sich — als ihr Sulla.
»Männer«, sagte er in seiner klaren, weit tragenden Stimme, »es sieht so aus, als ob wir jetzt doch nicht gegen Mithridates kämpfen. Ihr habt hier untätig gewartet, bis die Machthaber von Rom — und das sind nicht die Konsuln! — zu einem Entschluß gekommen sind.
Jetzt haben sie einen Entschluß gefaßt. Mit dem Feldzug gegen König Mithridates von Pontos wird auf Befehl der Versammlung der Plebs Gaius Marius beauftragt. Der Senat von Rom existiert nicht mehr, da nur noch wenige Senatoren übrig sind und der Senat nicht beschlußfähig ist. Daher trifft das Volk unter Führung des Volkstribunen Publius Sulpicius Rufus alle Entscheidungen, die das Heer und den Krieg betreffen.«
Er machte eine Pause, während der die Soldaten erregt miteinander flüsterten und seine Worte an jene weitergaben, die außer Hörweite standen. Dann sprach er in jenem täuschend normalen Ton weiter, den Metrobius ihm vor Jahren beigebracht hatte.
»Natürlich bin ich der rechtmäßig
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