MoR 02 - Eine Krone aus Gras
derzeit bei seinen Legionen war, die vor Ariminum lagerten, benutzte der Konsul die Via Flaminia, jene große nördliche Straße, die zwischen Asisium und Cales über die Wasserscheide des Apennin führte. Der Winter hatte zwar noch nicht begonnen, aber in den Bergen war es schon bitterkalt, deshalb reiste Pompeius Rufus in einem geschlossenen, zweirädrigen Wagen und mit einem ganzen Maultierkarren voll Gepäck. Da er einen militärischen Posten übernehmen sollte, begleiteten ihn nur seine Liktoren und einige Sklaven. Über die Via Flaminia reiste er auch oft in seine Heimat, so mußte er nicht in den Gasthäusern am Wege übernachten. Er kannte jeden Römer, der an dieser Straße ein großes Haus besaß, und übernachtete dort.
In Asisium entschuldigte sich sein Gastgeber, ein alter Bekannter, seufzend für die Art der Unterbringung, die er anbieten konnte. »Die Zeiten haben sich geändert, Quintus Pompeius! Ich mußte viel verkaufen! Und dann, als hätte ich nicht schon Schwierigkeiten genug, haben wir auch noch eine Mäuseplage!«
So legte sich Quintus Pompeius Rufus in einem früher reich möblierten Zimmer zur Ruhe, wo es kälter war als einst, weil ein durchziehendes, plünderndes Heer die Fensterläden abgerissen und als Brennholz verwendet hatte. Das Trippeln und Piepsen der Mäuse ließ ihn lange nicht einschlafen. Voller Angst überdachte er die Ereignisse in Rom, und er spürte deutlich, daß Sulla zu weit gegangen war. Viel zu weit. Dafür würden sie bezahlen müssen. Zu viele Generationen von Volkstribunen waren auf dem Forum Romanum tätig gewesen, als daß die Plebs sich eine solche Beleidigung von Sulla gefallen lassen würde. Sobald der Konsul weit genug weg im Ausland war, würden man seine Gesetze annullieren. Und Männer wie er, Quintus Pompeius Rufus, würden dafür verantwortlich gemacht werden — man würde sie anklagen.
Sein Atem stand sichtbar in der Luft, als er in der Dämmerung aufstand und mit vor Kälte klappernden Zähnen seine Kleider zusammensuchte: lange, von der Hüfte bis zum Knie reichende Bundhosen, ein langärmeliges, warmes Hemd, das er in die Bundhosen steckte, zwei warme Tuniken darüber und zwei am unteren Ende zusammengenähte Schläuche aus fettiger Wolle, mit denen er Unterschenkel und Füße umhüllte.
Doch als er sich auf die Bettkante setzte und diese Strümpfe anziehen wollte, bemerkte er, daß die Mäuse in der Nacht die stark riechenden unteren Enden weggebissen hatten. Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken, als er die Socken gegen das graue Licht hielt, das durch die unverschlossenen Fenster fiel. Blicklos starrte er sie an und erschauerte. Denn als abergläubischer Mann aus Picenum wußte er, was das bedeutete: Mäuse waren die Boten des Todes. Mäuse hatten die unteren Enden seiner Strümpfe abgenagt, deshalb würde er stürzen. Er würde sterben. Es war eine Prophezeiung.
Sein Sklave brachte ein neues Paar Strümpfe, kniete vor Pompeius Rufus nieder und zog sie ihm behutsam über die Füße. Die starre und stumme Puppe, die auf der Bettkante saß, beunruhigte ihn zutiefst. Auch der Sklave wußte das Omen zu deuten, und er betete innerlich darum, daß es nicht wahr sei.
»Herr, mach dir keine Sorgen«, sagte er.
»Ich werde sterben«, sagte Pompeius Rufus.
»Unsinn!« sagte der Sklave laut und half seinem Herrn auf die Füße. »Ich bin schließlich Grieche! Ich weiß mehr über die Götter der Unterwelt als jeder Römer! Apollo Smintheus ist der Gott des Lebens, des Lichtes und der Genesung, und doch sind die Mäuse ihm heilig. Nein, das Omen bedeutet, daß du dem Norden Heilung bringen wirst.«
»Ich werde sterben«, sagte Pompeius Rufus unbeirrt.
Als er drei Tage später das Lager erreichte, hatte er sich mit seinem Schicksal mehr oder minder abgefunden. Pompeius Strabo, der ein entfernt verwandter Vetter von ihm war, hatte eine luxuriöse Unterkunft in einem großen Bauernhaus.
»Nun, das ist aber eine Überraschung!« begrüßte ihn Pompeius Strabo freundlich und reichte ihm die Hand. »Komm herein, komm herein!«
»Ich habe zwei Briefe dabei.« Pompeius Rufus setzte sich auf einen bequemen Stuhl und nahm einen Schluck Wein. Einen so guten Wein hatte er seit seiner Abreise aus Rom nicht mehr getrunken. Dann zog er die beiden Rollen hervor. »Lucius Cornelius bat darum, daß du seinen Brief zuerst liest. Der andere Brief ist vom Senat.«
Pompeius Strabos Stimmung verdüsterte sich, als der Konsul den Senat erwähnte, aber er sagte kein
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