MoR 02 - Eine Krone aus Gras
konnten. Das bedeutete, daß er seine eigentlichen Absichten von Anfang an offenlegen mußte.
Caesar Strabo half Sulla schließlich aus dem Dilemma. »Nichts leichter als das«, meinte er. »Setze noch ein Gesetz auf deine Liste und verkünde es als erstes von allen: daß nämlich die Bestimungen der ersten lex Caecilia Didia für deine Gesetze nicht gelten sollen.«
»Die Volksversammlung würde ein solches Gesetz niemals verabschieden«, sagte Sulla.
»Und ob sie es tun wird — wenn sie genug Soldaten sieht!« sagte Caesar Strabo fröhlich.
Er sollte recht behalten. Als das gesamte Volk — Patrizier wie Plebejer — sich versammelt hatte, stellte Sulla fest, daß es seinen Gesetzen bereitwillig zustimmte. Mit dem ersten Gesetz wurden für Sullas Gesetze die Bestimmungen der lex Caecilia Didia prima außer Kratt gesetzt; da die neuen Bestimmungen bereits für diese erste lex Cornelia galten, wurde sie am selben Tag beantragt und verabschiedet. Der November neigte sich nun dem Ende zu.
Sulla beantragte nacheinander sechs weitere Gesetze. Die Reihenfolge hatte er sorgfältig geplant, denn das Volk durfte seine eigentlichen Absichten keinesfalls zu früh durchschauen. Gleichzeitig gab Sulla sich größte Mühe, jeden Anschein von Feindseligkeiten zwischen der Bevölkerung und seiner Armee zu vermeiden, da er wußte, daß das Volk ihm wegen der Soldaten mißtraute.
Ob das Volk ihn liebte oder nicht, war ihm gleichgültig, solange es ihm gehorchte. Einige Gerüchte konnten ihm daher nicht schaden, befand er. Wenn seine Gesetze nicht angenommen würden, so ließ er verbreiten, würde die Stadt ein Blutbad von ungeheuren Ausmaßen erleben. Wenn Sulla ums Überleben kämpfte, schreckte er vor nichts zurück. Wichtig war nur, daß das Volk sich seinen Wünschen beugte, mochte es ihn auch so leidenschaftlich hassen, wie er das Volk haßte. Natürlich durfte er kein Blutbad riskieren, denn das wäre sein Ende gewesen. Aber Sulla wußte, was Angst in den Menschen bewirkte, und dachte nicht ernsthaft daran, die Androhung in die Tat umzusetzen. Und er hatte Erfolg.
Das zweite seiner Gesetze schien ohnehin harmlos. Danach sollte der nur aus vierzig Männern bestehende Senat dreihundert neue Mitglieder erhalten. Das Gesetz war mit Bedacht so formuliert, daß der Anschein, hier würden andere Gesetze »widerrufen«, vermieden wurde: Die neuen Senatoren sollten wie üblich von den Zensoren ernannt werden; es war nicht davon die Rede, daß die Zensoren jene Senatoren, die wegen ihrer Schulden ausgeschlossen worden waren, wieder ins Amt setzen sollten. Inzwischen hatte Catulus Caesar so geschickt Mittel organisiert, um die Schulden der ausgeschlossenen Senatoren bezahlen zu können, daß bald nichts mehr dagegen sprach, den betroffenen Senatoren durch die Zensoren ihre verlorenen Posten zurückzugeben. Außerdem konnten die Lücken, die der Tod vieler Senatoren gerissen hatte, endlich wieder gefüllt werden, und Catulus Caesar sollte, auch wenn das nicht offiziell war, zusätzlich Druck auf die Zensoren ausüben. Der Senat würde bald stärker sein als zuvor, davon war Sulla überzeugt. Catulus Caesar war ein hervorragender Mann.
Sullas drittes Gesetz zeigte seine geballte, drohende Faust. Es hob die lex Hortensia auf, ein Gesetz, das über zweihundert Jahre auf den Tafeln gestanden hatte. Sullas neues Gesetz verfügte, daß Gesetzesanträge nur nach Zustimmung des Senats in die Volksversammlung eingebracht werden durften. Damit waren nicht nur die Volkstribunen, sondern auch die Konsuln und Prätoren mundtot gemacht. Wenn der Senat keinen entsprechenden Beschluß faßte, konnte weder die Versammlung der Plebs noch die Versammlung des ganzen Volkes ein Gesetz verabschieden. Die Volksversammlung konnte auch die Formulierung eines Senatsbeschlusses nicht ändern.
Sullas viertes Gesetz wurde der Volksversammlung schon als Senatsbeschluß vorgestellt. Es stärkte die oberen Klassen in den Zenturien und nahm alle Veränderungen zurück, die man in der frühen Zeit der Republik vorgenommen hatte. Die Versammlung der Zenturien hatte jetzt wieder dieselbe Stellung wie unter König Servius Tullius: Die erste Klasse hatte fast die absolute Mehrheit der Stimmen. Nach Sullas neuem Gesetz waren der Senat und die Ritter wieder so stark wie einst zur Zeit der Könige.
Mit dem fünften Gesetz ging Sulla aufs Ganze. Es war das letzte Gesetz seines Programms, das in der Volksversammlung verkündet und verabschiedet wurde, denn von nun an
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