MoR 02 - Eine Krone aus Gras
natürlich genau, daß er einer gründlichen Prüfung unterzogen wurde. Er hatte auf einmal das Gefühl, von einem zukünftigen Liebhaber beurteilt zu werden.
»Mamercus, du bist doch verheiratet?« fragte Sulla.
Jetzt ging Mamercus ein Licht auf. »Ja, Lucius Cornelius.«
»Kinder?«
»Eine vierjährige Tochter.«
»Du hängst an deiner Frau?«
»Nein. Sie ist ein schreckliches Weib.«
»Hast du je an Scheidung gedacht?«
»In Rom denke ich ständig daran. Wenn ich nicht in Rom bin, denke ich so wenig wie möglich an sie.«
»Wie heißt sie? Aus welcher Familie ist sie?«
»Claudia. Sie ist eine Schwester von Appius Claudius Pulcher, der derzeit Nola belagert.«
»Das war keine kluge Wahl, Mamercus! Eine seltsame Familie.«
»Seltsam? Verrückt, würde ich sagen.«
Metellus Pius hielt es nicht mehr auf der Liege. Er setzte sich auf und starrte Sulla mit weit aufgerissenen Augen an.
»Meine Tochter ist jetzt Witwe«, sagte Sulla. »Sie ist knapp zwanzig. Sie hat zwei Kinder, ein Mädchen und einen Jungen. Hast du sie schon einmal gesehen?«
»Nein«, sagte Mamercus ruhig. »Ich glaube nicht.«
»Ich bin ihr Vater, mein Urteil zählt also in diesem Fall nicht viel. Aber allgemein heißt es, sie sei sehr hübsch.« Sulla griff zum Becher.
»Oh ja, das ist sie, Lucius Cornelius! Ganz hinreißend!« Metellus lachte verlegen.
»Also bitte, da hast du eine unabhängige Meinung.« Sulla sah in seinen Becher und kippte geschickt den Bodensatz auf einen leeren Teller. »Fünf!« rief er erfreut aus. »Fünf bringen mir Glück.« Er sah Mamercus unverwandt an. »Ich suche einen guten Mann für mein armes Mädchen, denn ihre Schwiegerleute machen ihr das Leben schwer. Sie hat eine Mitgift von vierzig Talenten — mehr als die meisten Mädchen —, ist erwiesenermaßen fruchtbar und hat einen Sohn. Sie ist noch jung, beide Eltern sind Patrizier — ihre Mutter war eine Julia —, und sie hat ein angenehmes Wesen, wenn ich das sagen darf. Nicht daß sie sich zu Boden werfen und dir die Stiefel küssen würde, aber sie kommt mit den meisten Menschen gut aus. Ihr verstorbener Mann, der jüngere Quintus Pompeius Rufus, war ganz vernarrt in sie. Nun, was meinst du dazu? Wärst du interessiert?«
»Das kommt darauf an«, sagte Mamercus vorsichtig. »Welche Farbe haben ihre Augen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Strahlend blau und schön«, sagte Metellus.
»Welche Farbe haben ihre Haare?«
Sulla sah ihn ratlos an. »Rot — braun — kupfern? Ich weiß es nicht.« »Die Farbe des Himmels kurz vor Sonnenuntergang«, sagte Metellus.
»Ist sie groß?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie reicht dir bis zur Nasenspitze«, sagte Metellus.
»Was hat sie für eine Haut?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Sulla.
»Hell und zart wie eine Blüte, mit sechs kleinen, goldenen Sommersprossen auf der Nase«, sagte Metellus.
Sulla und Mamercus sahen gleichzeitig den Mann auf der mittleren Liege an, der plötzlich errötete und in sich zusammensank.
»Das hört sich an, als wolltest du sie heiraten, Quintus Caecilius«, sagte Sulla.
»Nein, nein!« rief Metellus. »Aber ein Mann hat doch Augen im Kopf, Lucius Cornelius! Sie ist ganz bezaubernd.«
»Dann nehme ich sie wohl besser«, sagte Mamercus lächelnd zu seinem guten Freund Metellus. »Ich bewundere deinen Geschmack, was Frauen anbelangt, Quintus Caecilius. Und ich danke dir, Lucius Cornelius. Betrachte deine Tochter als meine Verlobte.«
»Sie trägt noch sieben Monate Trauer, es gibt also keinen Grund zur Eile«, sagte Sulla. »Bis dahin wird sie bei Delmatica wohnen. Besuche sie, Mamercus. Ich werde ihr schreiben.«
Vier Tage später brach Sulla mit drei überaus zufriedenen Legionen nach Brundisium auf. Dort stießen sie zu Lucullus, der immer noch vor der Stadt lagerte. Es hatte problemlos Weideland für die Pferde der Reifer und die Maultiere des Heeres gefunden, da das Land meist Italikern gehörte und der Winter gerade erst begonnen hatte. Es stürmte und regnete unablässig, keine idealen Bedingungen für einen langen Aufenthalt; die Männer langweilten sich und verbrachten zuviel Zeit beim Spiel. Als jedoch Sulla eintraf, besserte sich ihre Stimmung. Lucullus konnten sie nämlich, anders als Sulla, nicht ausstehen. Lucullus hatte kein Verständnis für die Legionäre, und ihm lag auch nichts daran, Menschen zu verstehen, die gesellschaftlich so weit unter ihm standen.
Anfang März schiffte Lucullus seine beiden Legionen und zweitausend Reiter nach Korfu ein.
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