MoR 02 - Eine Krone aus Gras
deshalb ärgerte, weil sie wieder aufbrechen mußten, und daß er sich andernfalls gefreut hätte, daß es seinem Jungen gelungen war, eine ausländische Königin zu verführen. Salammbos Schicksal kümmerte sie beide nicht; die Prinzessin hatte gewußt, womit sie rechnen mußte, wenn sie erwischt würden.
»Ein Jammer«, sagte er. »Sie war wirklich eine...«
»Sei still!« unterbrach ihn sein Vater scharf. »Wenn du kleiner wärst oder ich auf einem Bein stehen könnte, würde ich dir so weit in den Hintern treten, daß dir die Zähne aus dem Mund fliegen! Wir hatten es hier so schön!«
»Gib mir doch einen Tritt, wenn du willst«, sagte der Sohn. Er bückte sich und bot seinem Vater im Spaß die Rückseite dar. Breitbeinig und mit dem Kopf zwischen den Knien stand er da. Was hatte er zu befürchten? Sein Vergehen war von der Sorte, die ein Vater seinem Sohn mit Vergnügen verzeiht. Außerdem hatte der junge Marius in seinem ganzen Leben die Hand seines Vaters noch nicht zu spüren bekommen und seinen Fuß schon gar nicht.
Aber Marius gab dem treuen Burgundus ein Zeichen, worauf dieser den jungen Mann festhielt. Marius’ rechtes Bein fuhr hoch, und der schwere Stiefel traf hart und präzise auf die empfindliche Stelle zwischen den Hinterbacken des Sohnes. Daß dieser nicht ohnmächtig wurde, verdankte er allein seinem Stolz, denn die Schmerzen waren furchtbar. Sie quälten ihn noch tagelang, und der junge Marius versuchte sich einzureden, daß sein Vater ihn nicht aus willkürlicher Bösheit bestraft hatte, sondern weil er über den Vorfall mit Salammbo wütender war, als er, sein Sohn, angenommen hatte.
Von Ikosion fuhren sie nach Osten an der nordafrikanischen Küste entlang, und sie gingen erst wieder an Land, als sie Gaius Marius’ nächstes Ziel erreicht hatten: die Insel Kerkena in der Kleinen Syrte. Hier fanden sie endlich einen sicheren Zufluchtsort, denn hier, weitab vom Krieg, lebten einige tausend Veteranen aus den Legionen des Marius. Ein wenig gelangweilt davon, auf ihren hundert Jugera großen Parzellen Weizen anzubauen, hießen die angegrauten Veteranen ihren alten Feldherrn freudig willkommen, machten viel Aufhebens um ihn und seinen Sohn und gelobten, Sulla werde jeden Soldaten brauchen, den er aufbieten könne, wenn er ihnen Gaius Marius wegnehmen wolle.
Der junge Marius, der seinen Vater seit jenem Fußtritt noch genauer im Auge behielt, machte sich einige Sorgen. Voller Kummer bemerkte er nun die vielen kleinen Anzeichen seiner nachlassenden Geisteskraft und sah mit Staunen, wieviel seinem Vater vergeben wurde, nur weil er Gaius Marius war, und wie sein Vater sich manchmal unter Aufbietung all seiner Kräfte zusammenriß und dann völlig normal schien. Wer keinen häufigen oder engen Kontakt mit ihm hatte, bemerkte davon nichts weiter, wenn man von einer gelegentlichen Gedächtnisschwäche absah, einem verwirrten Gesichtsausdruck oder Marius’ Neigung, von einem Thema abzuschweifen, wenn er das Interesse daran verlor. Aber konnte er ein siebtes Mal Konsul werden? Der junge Marius bezweifelte es.
Das Verhältnis zwischen den neuen Konsuln Gnaeus Octavius Ruso und Lucius Cornelius Cinna war gespannt und artete oft in öffentliche Streitigkeiten aus, die sowohl im Senat als auch auf dem Forum ausgetragen wurden, während ganz Rom gespannt wartete, wer als Sieger daraus hervorgehen würde. Der Versuch, Sulla des Hochverrats anzuklagen, war zu einem jähen Ende gekommen, als Pompeius Strabo den Konsul Cinna in einem knappen, privaten Brief wissen ließ, wenn er Konsul bleiben und seine zahmen Volkstribunen überleben wolle, dürfe er Lucius Cornelius Sulla bei seiner Abreise nach Osten nicht behindern. Cinna wußte, daß sein Mitkonsul Octavius ein Geschöpf Pompeius Strabos war und daß die einzigen anderen Legionen, die in Italien unter Waffen standen, von zwei treuen Anhängern Sullas befehligt wurden. Also nahm er widerstrebend die Volkstribunen Vergilius und Magius ins Gebet, die von ihrem Opfer nicht lassen wollten. Cinna mußte ihnen schließlich sogar drohen, wenn sie nicht auf ihn hörten, werde er die Seiten wechseln, sich mit Octavius verbünden und sie vom Forum und aus der Stadt jagen. In den ersten acht Monaten ihrer Amtszeit hatten die beiden Konsuln mehr als genug Probleme in Rom und Italien. Die Staatskasse war nach wie vor leer, und wer Geld hatte, scheute sich, es zu investieren. In den Provinzen Sizilien und Africa gab es erneut ein Dürrejahr. Die Statthalter Norbanus
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