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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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auf die Straße vor Belaeus’ Haus traten, waren fast alle Einwohner von Minturnae da, bereit, sie zum Hafen zu begleiten. Jubelrufe auf Gaius Marius ertönten, und er nahm sie mit königlicher Würde entgegen. Auf dem Weg ans Wasser fühlten sich alle so guter Dinge und so wichtig wie seit Jahren nicht mehr. Auf der Landungsbrücke umarmte Marius Aulus Belaeus öffentlich.
    »Dein Geld ist noch an Bord«, sagte Belaeus mit Tränen in den Augen. »Ich habe noch mehr Kleider für dich bringen lassen — und einen besseren Wein, als mein Kapitän gewöhnlich trinkt! Außerdem gebe ich dir den Sklaven Burgundus mit, da du ja keine Begleiter bei dir hast. In der Stadt hat man Angst, ihn hierzubehalten, falls die Reiter zurückkehren und irgendein Idiot den Mund aufmacht. Er hat den Tod nicht verdient, also kannst du über ihn verfügen.«
    »Burgundus nehme ich mit Freuden mit, Aulus Belaeus, und wegen der Reiter mache dir keine Sorgen. Ich weiß, wer sie angeworben hat — ein Mann ohne Macht und Einfluß, der sich einen Namen machen will. Zuerst hatte ich Lucius Sulla im Verdacht, und das wäre eine viel ernstere Sache gewesen. Aber wenn der Konsul Häscher auf mich gehetzt hat, haben sie Minturnae noch nicht erreicht. Diese Burschen jedenfalls sind nur von einem ruhmsüchtigen Privatmann beauftragt worden.« Der Atem kam zischend durch Marius’ Zähne. »Wir sprechen uns noch, Sextus Lucilius!«
    »Mein Schiff gehört dir, bis du wieder heimkehrst«, sagte Belaeus lächelnd. »Der Kapitän weiß Bescheid. Zum Glück hat er Falerner geladen — der Wein kann nur besser werden, bis er gelöscht wird. Wir wünschen dir das Beste.«
    »Und ich dir, Aulus Belaeus. Ich werde dich nie vergessen«, sagte Gaius Marius.
    Dann war der aufregende Tag endlich zu Ende. Die Männer und Frauen von Minturnae standen am Landungssteg und winkten, bis das Schiff in der Ferne verschwunden war. Dann gingen sie mit dem Gefühl nach Hause, einen großen Krieg gewonnen zu haben. Aulus Belaeus ging als letzter, als die Dämmerung bereits einbrach. Er lächelte still vor sich hin, denn er hatte einen großartigen Einfall gehabt. Er würde den größten Wandmaler der italienischen Halbinsel auftreiben und ihn beauftragen, die Abenteuer des Gaius Marius in Minturnae in einer großartigen Bilderserie darzustellen. Die Bilder sollten den neuen Tempel der Marica zieren, der in einem schönen Hain gebaut werden sollte. Marica war eine Nymphe, die den Latinus geboren hatte, dessen Tochter wiederum Aeneas geheiratet und mit ihm Julus gezeugt hatte. Also hatte sie eine besondere Beziehung zu Gaius Marius, der ja mit einer Julia verheiratet war. Außerdem war Marica die Schutzheilige der Stadt. Eine größere Tat als die Weigerung, Gaius Marius zu töten, war in Minturnae nie vollbracht worden, und in den kommenden Jahren sollte ganz Italien durch die Fresken im Tempel der Marica davon erfahren.

    Von nun an kam Marius auf seiner Flucht nie mehr in Gefahr, auch wenn seine Reise lang und ermüdend war. In Ischia trafen sich neunzehn der Flüchtlinge wieder und warteten vergeblich auf Publius Sulpicius. Nach acht Tagen entschieden sie, daß er nicht mehr kommen würde, und fuhren traurig ohne ihn ab. Sie trotzten dem Tyrrhenischen Meer und sahen erst wieder Land, als sie in den Fischerhafen Erycina an der Nordwestspitze von Sizilien einliefen.
    Marius hatte gehofft, in Sizilien bleiben zu können und sich nicht weiter als notwendig von Italien entfernen zu müssen. In Anbetracht dessen, was er bisher durchgemacht hatte, ging es ihm körperlich erstaunlich gut, aber er merkte selbst, daß es um seinen Geist nicht zum besten stand. Er vergaß vieles, und manchmal klang in seinen Ohren alles, was andere Leute redeten, so fremd wie die Sprache der Skythen oder Sarmaten. Er nahm unidentifizierbare, ekelhafte Gerüche wahr, und manchmal senkte sich ein dichter Schleier über seine Augen. Dann wieder wurde ihm plötzlich unerträglich heiß, oder er wußte nicht mehr, wo er war. Oft war er gereizt und bildete sich ein, gekränkt oder beleidigt worden zu sein.
    »Ich weiß nicht, mit welchem Organ wir denken«, redete er eines Tages vor sich hin, als er mit seinem Sohn in Erycina darauf wartete, vom Statthalter von Sizilien zu hören, »ob es nun in unserer Brust sitzt, wie manche sagen, oder in unseren Köpfen, wie Hippokrates meint — und ich glaube auch, daß wir mit dem Kopf denken, denn ich denke mit meinen Augen, meinen Ohren und meiner Nase, und warum

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