MoR 02 - Eine Krone aus Gras
du vergehen wie eine Schneeflocke im Herdfeuer.«
»Wenn du das glaubst, warum läßt du mich dann tun, was ich tun will?«
»Lucius Cornelius und ich, wir verstehen einander, deshalb«, sagte Pompeius Strabo. »Er wird die Schuld für das, was passiert, nicht mir geben, sondern dir.«
»Vielleicht kommt Lucius Cornelius gar nicht zurück.«
Diese Bemerkung rief wieder ein wieherndes Lachen hervor. »Darauf würde ich lieber nicht zählen, Lucius Cinna! Lucius Cornelius ist ein Günstling Fortunas. Er ist vor Unglück gefeit.«
Cinna reiste nach Rom zurück, ohne einen Augenblick länger auf Pompeius Strabos Landgut zu bleiben, als für die kurze Unterredung notwendig war. Er schlief lieber in einem Haus mit einem weniger nervtötenden Gastgeber. Also machte er in Assissium Station und mußte sich dort von seinem Gastgeber die Geschichte anhören, wie die Mäuse die Socken des Quintus Pompeius Rufus fraßen und so seinen Tod prophezeiten. Alles in allem, dachte Cinna, als er endlich wieder in Rom war, mag ich die Menschen im Norden nicht! Sie sind zu erdverbunden und stehen den alten Göttern zu nahe.
Anfang September wurden in Rom die größten Spiele des Jahres veranstaltet, die ludi Romani. Aufgrund des Krieges in Italien und weil in den Taschen der kurulischen Ädilen das Geld fehlte, das sie sonst nur zu gern für die Spiele ausgaben, waren diese nun drei Jahre lang so bescheiden und billig wie möglich ausgefallen. Zwar hatte man sich vom letztjährigen Ädil Metellus Celer Großes versprochen, aber daraus war nichts geworden. Die beiden diesjährigen Ädilen waren freilich außerordentlich reich, und im Monat Sextilis gab es schon viele Gerüchte und konkrete Hinweise darauf, daß sie Wort halten und große Spiele veranstalten würden. Wer sich die Reise leisten konnte, beschloß, das im Krieg durchgemachte Leid bei einem Urlaub in Rom und einem Besuch der ludi Romani zu vergessen. Tausende von Italikern, die das römische Bürgerrecht bekommen und ihre unwürdige Behandlung noch nicht vergessen hatten, strömten Ende Sextilis nach Rom. Wer das Theater liebte oder Wagenrennen, Großwildjagden, Schaubuden und andere Sehenswürdigkeiten — der kam, wenn er konnte. Besonders die Theaterliebhaber konnten mit einem Leckerbissen rechnen, denn der alte Accius hatte sich bereit erklärt, aus Umbria nach Rom zu kommen und sein neues Stück selbst zu inszenieren.
Und dann beschloß Cinna endlich, zu handeln. Sein Verbündeter, der Volkstribun Marcus Vergilius, berief eine »inoffizielle« Versammlung der Plebs ein und verkündete der Menge, in der sich auch viele italische Besucher befanden, er wolle den Senat veranlassen, die neuen Bürger auf alle Tribus zu verteilen. Die Versammlung wurde nur zu dem Zweck abgehalten, die Aufmerksamkeit derer zu erregen, die sich für das Thema interessierten, denn Marcus Vergilius konnte einer Instanz, die nicht mehr befugt war, Gesetze zu erlassen, auch keine Gesetze vorschlagen.
Dann brachte Vergilius seinen Antrag vor den Senat und bekam die entschiedene Auskunft, die Senatoren sähen keinen Anlaß, über dieses Thema zu debattieren. Vergilius zuckte die Achseln und setzte sich neben Sertorius und die anderen Tribunen auf die Bank. Er hatte getan, was Cinna von ihm verlangt hatte, nämlich die Stimmung im Senat auszuloten. Der Rest lag bei Cinna.
»Schön«, sagte Cinna zu seinen Verbündeten, »machen wir uns an die Arbeit. Wir versprechen allen, einen allgemeinen Schuldenerlaß einzubringen, wenn unsere Gesetze zur Wiederherstellung der Verfassung in ihrer alten Form und zur Einteilung der neuen Bürger von den Zenturiatskomitien angenommen werden. Die Versprechungen des Sulpicius waren verdächtig, weil er Gesetze zugunsten der Gläubiger verschuldeter Senatoren erließ. Ein solches Problem haben wir nicht. Uns wird man glauben.«
Das geschäftige Treiben, das nun begann, war zwar nicht geheim, aber in Hörweite derer, von denen man erwartete, daß sie gegen einen allgemeinen Schuldenerlaß waren, wurde nicht über diesen Plan geredet. Und die Lage der Mehrheit — selbst der ersten Klasse — war so verzweifelt, daß die Meinung plötzlich zugunsten Cinnas umschwang. Auf jeden Ritter oder Senator, der keine Schulden hatte oder selbst Geld verlieh, kamen sechs oder sieben zum Teil tief verschuldete Ritter und Senatoren.
»Wir haben Ärger«, sagte Konsul Gnaeus Octavius Ruso zu Antonius Orator und den Brüdern Caesar. »Wenn Cinna mit einem Köder wie dem
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