MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Flüchtenden zu verfolgen.
»Macht mit den Halunken, was ihr wollt«, brüllte Marius und lachte. »Aber versucht, zwischen meinen Freunden und meinen Feinden zu unterscheiden!«
Cinna sah entsetzt zu, wie seine Welt unterging. Er war völlig machtlos. Seine Soldaten befanden sich entweder bereits auf dem Heimweg oder noch in ihrem Lager auf dem Campus Vaticanus. Marius’ »Ardiaier« — wie er seine Gefolgschaft von Sklaven nannte, weil viele von ihnen diesem dalmatinischen Stamm der Illyrer angehörten — besetzten die Stadt Rom. Und da ihnen nun die Stadt gehörte, behandelten sie Rom schlimmer, als ein rasender Trunkenbold seine verhaßte Ehefrau behandeln würde. Männer wurden ohne erkennbaren Grund niedergemacht, Häuser wurden überfallen und geplündert, Frauen vergewaltigt und Kinder ermordet. Vieles war sinnlos und grundlos, aber nicht alles — es gab Männer, deren Tod Marius herbeisehnte, oder zumindest bildete er sich das ein. Die Ardiaier hatten nicht gelernt, zwischen Marius’ verschiedenen Stimmungslagen zu unterscheiden.
Während des restlichen Tages und bis spät in die Nacht schrie und weinte Rom, und viele starben oder wünschten sich zu sterben. An manchen Orten loderten riesige Flammen empor, und die Schreie vereinigten sich zu einem schrillen und ohrenbetäubenden Lärm.
Publius Annius, der Antonius Orator mehr haßte als jeden anderen Menschen, führte einen Reitertrupp nach Tusculum, wo die Antonier ein Landgut besaßen. Er machte sich ein Vergnügen daraus, Antonius Orator aufzuspüren und zu töten. Der Kopf wurde unter großem Jubel nach Rom zurückgebracht und auf der Rostra aufgestellt.
Fimbria führte seine Reiter auf den Palatin. Er suchte nach dem Zensor Publius Licinius Crassus und dessen Sohn Lucius. Fimbria sah zuerst den Sohn, der die engen Gassen hinauf nach Hause rannte. Er trieb sein Pferd an, holte Lucius ein und bohrte ihm das Schwert in den Rücken. Der Vater mußte den Mord ohnmächtig mitansehen, dann zog er ein Messer aus den Falten seiner Toga und tötete sich selbst. Glücklicherweise wußte Fimbria nicht, welche Tür in dieser Gasse aus fensterlosen Mauern zum Haus des Zensors gehörte; deshalb überlebte der dritte Sohn, Marcus, der noch nicht alt genug war, um Senator zu sein.
Fimbria befahl seinen Männern, Publius und Lucius Crassus zu enthaupten, und machte sich dann mit ein paar Soldaten auf die Suche nach den Brüdern Caesar. Er fand Lucius Julius und dessen jüngeren Bruder Caesar Strabo und enthauptete sie. Die Köpfe wurden für die Rostra aufbewahrt, den Körper Caesar Strabos zerrte Fimbria hinaus zum Grab des Quintus Varius und »tötete« ihn dort noch einmal, als Opfer für den Mann, den Caesar Strabo verfolgt hatte und der sein eigenes Leben so langsam und schmerzhaft hatte beenden müssen. Danach begann er die Suche nach dem ältesten Bruder, Catulus Caesar, aber noch bevor er ihn finden konnte, erreichte ihn ein Bote des Gaius Marius: Catulus Caesar sollte am Leben bleiben, denn ihm sollte der Prozeß gemacht werden.
Als der Morgen graute, war die Rostra mit auf Speeren aufgespießten Köpfen umstellt — Ancharius, Antonius Orator, Publius und Lucius Crassus, Lucius Caesar, Caesar Strabo, der würdige alte Scaevola Augur, Gaius Atilius Serranus, Publius Cornelius Lentulus, Gaius Nemetorius, Gaius Baebius und Octavius. Die Straßen waren mit Leichen bedeckt, und in einer Nische zwischen dem kleinen Tempel der Venus Cloacina und der Basilica Aemilia war ein großer Haufen weniger wichtiger Köpfe gesammelt worden. Rom stank nach geronnenem Blut.
Marius verhielt sich gleichgültig; er dachte nur an seine Rache. Vom Comitium aus verfolgte er, wie sein eigener, neugewählter Volkstribun Publius Popillius Laenas die Volksversammlung einberief. Natürlich kam niemand, aber die Versammlung fand dennoch statt, denn die Ardiaier, die nun über das Bürgerrecht verfügten, ernannten sich selbst zu Mitgliedern der ländlichen Tribus. Quintus Lutatius Catulus Caesar und der Jupiterpriester Lucius Cornelius Merula wurden sofort als Verräter angeklagt.
»Ich werde das Urteil nicht abwarten«, sagte Catulus Caesar zu Mamercus. Seine Augen waren rot geschwollen, da er über das Schicksal seiner Brüder und so vieler seiner Freunde geweint hatte.
Er hatte Mamercus in sein Haus gerufen, weil er ihn dringend sprechen wollte. »Nimm Lucius Cornelius Sullas Frau und Tochter und fliehe sofort, Mamercus. Ich bitte dich darum. Lucius Sulla wird der nächste
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