MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Provinz Asia. Er spielt sich nur gern als Königsmacher und dergleichen auf. Aber Steuereintreiben? Das ist für ihn ein schmutziges Geschäft. Und unschätzbare Kunstwerke sammelt er auch nicht.«
Gaius Marius fuhr mit seiner Familie nach Süden nach Halikamassos weiter. Den über den Besuch des Freundes glücklichen Publius Rutilius Rufus hatte er eigentlich mitnehmen wollen, aber Rutilius Rufus wollte seinen Posten auf keinen Fall verlassen und blieb deshalb im Palast des Statthalters zurück. Marius verbrachte mit seiner Familie einen angenehmen Winter in seiner Villa in Halikarnassos und unternahm von dort eine Lustfahrt nach Rhodos.
Daß sie dann von Halikarnassos nach Tarsos fahren konnten, verdankten sie allein den Anstrengungen des Marcus Antonius Orator, der zumindest vorläufig dem Tatendrang der Piraten Pamphyliens und Kilikiens ein Ende gesetzt hatte. Vor dem Feldzug Antonius Orators wäre der bloße Gedanke an eine Seereise tollkühn gewesen, da den Piraten keine Beute so willkommen war wie ein römischer Senator, zumal ein so prominenter wie Gaius Marius. Für ihn hätten sie ein Lösegeld von zwanzig oder dreißig Silbertalenten verlangen können.
Die Fahrt mit dem Schiff entlang der Küste dauerte über einen Monat. Die Städte Lykiens hießen Marius und seine Familie willkommen, und auch die große Stadt Attaleia in Pamphylien bereitete ihm einen herzlichen Empfang. Noch nie hatte Marius Berge gesehen, die so nah ans Wasser reichten, nicht einmal auf seinem Marsch entlang der italienischen Küste ins ferne Gallien. Die schneebedeckten Gipfel reichten bis in den Himmel, am Fuß der Berge rauschte das Meer.
An der Küste wuchsen prächtige Kiefernwälder, die nicht gerodet wurden, denn im nahen Zypern gab es mehr als genug Holz für alle Nachbarländer einschließlich Ägyptens. Die Tage vergingen, und die kilikische Küste zog an ihnen vorbei. Kein Wunder, daß die Piraterie hier gedeihen konnte, dachte Marius. An der steil abfallenden Küste gab es jede Menge versteckter kleiner Buchten und Häfen. Korakesion, die frühere Hauptstadt der Piraten, war so ideal gelegen, daß die Stadt den Piraten als Geschenk der Götter erschienen sein mußte. Sie saß in schwindelnder Höhe auf einem fast ganz vom Meer umgebenen Felsenvorsprung und war Antonius durch Verrat aus den Reihen der Piraten in die Hände gefallen. Als Marius an den schroffen Wanden hinaufsah, überlegte er, wie er die Festung erobert hätte.
Dann kamen sie endlich nach Tarsos. Die von mächtigen Mauern umgebene Stadt lag ein paar Meilen landeinwärts an dem gemächlich dahinströmenden Kydnos und war dadurch vor der offenen See geschützt, konnte aber dennoch als Hafen genutzt werden. Natürlich durften die hochstehenden Besucher aus Rom im Palast wohnen. In diesem Teil Kleinasiens ließ der Frühling nie lange auf sich warten, und in Tarsos war es schon heiß. Julia machte deshalb bald Andeutungen, daß sie keine Lust habe, in so einer Gluthitze herumzusitzen, während Marius ins Landesinnere nach Kappadokien reiste.
Am Ende des Winters war in Halikarnassos ein Brief des kappadokischen Königs Ariarathes VII. eingetroffen. Ariarathes hatte geschrieben, er werde Ende März selbst nach Tarsos kommen und es werde ihm eine Ehre sein, Gaius Marius persönlich von Tarsos nach Eusebeia Mazaka zu begleiten. Da Marius annahm, der junge König erwarte ihn, hatte er sich geärgert, als die Reise so lange dauerte; andererseits hatte er Julia den Spaß an Abwechslungen wie Ausflügen nach Olba oder zu den Wasserfällen bei Side nicht verderben wollen. Aber als sie Mitte April in Tarsos ankamen, war der kleine König nicht da, und er hatte ihnen auch keine Nachricht zukommen lassen.
Mehrere Kurierbriefe nach Mazaka blieben unbeantwortet; nicht einmal die Kuriere kehrten zurück. Marius begann sich Sorgen zu machen. Das verbarg er zwar vor Julia und dem kleinen Marius, aber je stärker Julia darauf drängte, nach Kappadokien mitreisen zu dürfen, desto schlimmer wurde sein Dilemma. Er konnte sie nicht mitnehmen, das war klar, aber er konnte sie auch nicht in der Sommerhitze zurücklassen. Dazu kam die prekäre politische Lage in Kilikien: Einst eine ägyptische Besitzung, war das Land in syrische Hände gefallen und dann eine Zeitlang vernachlässigt worden. In dieser Zeit hatten die Piraten nach und nach fast die ganze Macht im Land an sich gerissen, sogar über das fruchtbare Flachland im Osten von Tarsos, das Pedien hieß.
Die
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