MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Summe noch — mit dem Ergebnis, daß sie, wenn sie noch einen Profit machen wollen, die Provinz Asia wie einen Schwamm ausquetschen müssen! Sie denken nur ans Geld. Statt die Armen Roms auf Staatsland anzusiedeln und den Kauf dieses Landes mit den Steuern aus der Provinz Asia zu finanzieren, hätte Gaius Gracchus besser daran getan, erst vor Ort in Asia einschätzen zu lassen, wie hoch die Steuern sein sollten. Das hat er versäumt, und seither hat es auch keiner getan. Die einzigen Schätzungen, die es in Rom gibt, wurden willkürlich von einer Kommission festgesetzt, die nach dem Tod König Attalos’ hier war — vor fünfunddreißig Jahren!«
»Ein Jammer, daß ich davon nichts wußte, als ich Konsul war«, sagte Marius traurig.
»Mein lieber Gaius Marius, du hattest doch die Germanen am Hals! Die Provinz Asia war damals der letzte Ort auf der Welt, an den in Rom jemand gedacht hätte. Aber du hast recht. Eine von dir beauftragte Kommission hätte schnell realistische Zahlen festgelegt und die Steuerpächter in ihre Schranken verwiesen! Aber nun sind sie unerträglich arrogant geworden. Sie und nicht die römischen Statthalter regieren die Provinz Asia!«
Marius lachte. »Die Steuerpächter müssen einen gehörigen Schreck bekommen haben, als Quintus Mucius und Publius Rutilius plötzlich in Pergamon auftauchten.«
»Allerdings.« Rutilius Rufus mußte bei der Erinnerung lächeln.
»Du hättest ihr Geschrei noch in Alexandria hören können. In Rom hat man es gehört. Deshalb ist Quintus Mucius übrigens so früh wieder abgereist. Aber das bleibt unter uns.«
»Was genau tust du hier eigentlich?«
»Ich bringe nur Ordnung in die Steuern der Provinz«, sagte Rutilius Rufus bescheiden.
»Zum Schaden des Schatzamtes und der Steuerpächter?«
»Genau.« Rutilius Rufus zuckte die Achseln. Die beiden Männer bogen auf die große Agora ein, und Rutilius Rufus zeigte auf einen leeren Sockel. »So etwas haben wir gleich als erstes unterbunden. Hier stand früher eine Reiterstatue Alexanders des Großen, von keinem Geringeren als Lysippos, und sie galt als das beste Porträt, das er von Alexander angefertigt hat. Weißt du, wo sie jetzt steht? Im Peristyl von Sextus Perquitienus, dem reichsten und vulgärsten Ritter Roms! Dein Nachbar auf dem Kapitol. Er hat sie anstelle unbezahlter Steuern mitgenommen. Ein Kunstwerk, das tausendmal mehr wert ist als die fragliche Summe. Aber was sollten die Einheimischen tun? Sie hatten das Geld einfach nicht. Also zeigte Sextus Perquitienus mit seinem Stab auf die Statue, und sie wurde abmontiert und ihm übergeben.«
»Er wird sie zurückgeben müssen«, sagte Marius.
»Dafür gibt es wenig Hoffnung.« Rutilius Rufus schnaubte verächtlich.
»Ist Quintus Mucius deshalb nach Hause gefahren?«
»Schön wär’s! Nein, er ist heimgefahren, um die Anhänger der Steuerpächter daran zu hindern, ihn und mich vor Gericht zu stellen.«
Marius blieb stehen. »Du machst Witze!«
»Nein, Gaius Marius, ich mache keine Witze! Die Steuerpächter der Provinz Asia haben einen enormen Einfluß in Rom, besonders im Senat. Und Quintus Mucius und ich haben sie tödlich beleidigt, als wir Ordnung in die Provinz Asia gebracht haben.« Publius Rutilius Rufus machte eine Grimasse. »Wir haben nicht nur die Steuerpächter tödlich beleidigt, sondern auch das Schatzamt. Einigen Senatoren dürfte es zwar egal sein, wenn die Steuerpächter zu zetern anfangen, aber wenn das römische Schatzamt über schwindende Einnahmen klagt, werden sie aufhorchen. In ihren Augen ist jeder Statthalter, der die Einnahmen des Schatzamtes schmälert, ein Verräter. Ich sage dir, Gaius Marius, als Quintus Mucius den letzten Brief seines Vetters Crassus Orator bekam, nahm sein Gesicht die Farbe seiner Toga an! Er erfuhr von Bestrebungen, ihm sein prokonsularisches imperium wegzunehmen und ihn wegen unrechtmäßiger Bereicherung und Verrats anzuklagen. Also machte er, daß er nach Hause kam, und überließ mir die Regierungsgeschäfte bis zur Ankunft seines Nachfolgers als Statthalter im nächsten Jahr.«
Auf dem Rückweg zum Palast des Statthalters fiel Marius auf, daß Publius Rutilius Rufus von allen, denen sie begegneten, herzlich und mit offensichtlicher Zuneigung gegrüßt wurde.
»Die Menschen hier mögen dich«, sagte er, ohne darüber überrascht zu sein.
»Quintus Mucius mögen sie noch mehr. Wir haben ihr Leben sehr verändert, Gaius Marius, und zum ersten Mal haben sie echte Römer bei der Arbeit
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