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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Seleukidendynastie Syriens verschliß sich in einer Reihe von Bürgerkriegen zwischen Brüdern und zwischen Königen und Thronprätendenten. Im Augenblick gab es zwei Könige in Nordsyrien, Antiochos Grypos und Antiochos Kyzikenos, die so heftig um den Besitz von Antiochia und Damaskus kämpften, daß sie sich schon seit Jahren nicht mehr um den Rest des Königreichs kümmern konnten. Das Ergebnis war, daß Juden, Idumäer und Nabatäer im Süden Syriens unabhängige Königreiche gegründet hatten und Kilikien mehr oder weniger in Vergessenheit geriet.
    So kam es, daß Marcus Antonius Orator, als er nach Tarsos kam, weil er die Stadt als Stützpunkt nutzen wollte, feststellte, daß Kilikien reif zur Übernahme war. Mit einem imperium ausgestattet, erklärte er Kilikien zur römischen Provinz. Aber nach seiner Abreise wurde kein Statthalter nach Kilikien geschickt, und wieder geriet das Land in Vergessenheit. Die griechischen Städte Kilikiens, die groß und mächtig genug waren, wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen, konnten sich selber helfen. Tarsos war eine von ihnen. Aber zwischen diesen Zentren gab es ganze Landstriche, in denen niemand regierte oder wo kleine Dorftyrannen die Staatsgewalt ausübten. Anderswo hieß es einfach, man gehöre jetzt zu Rom. Marius kam schnell zu dem Schluß, daß die Piraten unter diesen Umständen bald wieder die Macht an sich reißen würden. Die lokalen Beamten waren offenbar ganz froh, in ihm den Mann begrüßen zu dürfen, den sie für den neuen römischen Statthalter hielten.
    Je länger Marius auf ein Lebenszeichen des kleinen Königs Ariarathes wartete, desto klarer wurde ihm, daß in Kappadokien eine äußerst schwierige und langwierige Aufgabe zu meistern war. Seine Frau und sein Sohn waren zu seiner Hauptsorge geworden. Jetzt wußte er, warum die Römer ihre Familien sonst zu Hause in Sicherheit ließen! Frau und Sohn als Opfer der im Sommer ausbrechenden Krankheiten in Tarsos zu lassen, kam nicht in Frage. Genausowenig konnte er sie nach Kappadokien mitnehmen. Und immer, wenn er daran dachte, sie mit einem Schiff nach Halikarnassos zurückzuschicken, tauchte das Bild der unzerstör- ten Festung von Korakesion vor ihm auf, in der in seiner Einbildung die Truppen eines neuen Piratenkönigs hausten. Was tun? Wir wissen nichts über diesen Teil der Welt, dachte er, aber ich bin entschlossen, etwas darüber in Erfahrung zu bringen. Das östliche Ende des Mittelmeers war wie ein steuerloses Schiff, das der nächste Sturm zerbrechen würde.
    Als der Mai fast verstrichen war und sie immer noch nichts von König Ariarathes gehört hatten, faßte Marius einen Entschluß.
    »Pack unsere Sachen«, sagte er zu Julia. Er war kürzer angebunden als sonst. »Ich nehme dich und den kleinen Marius mit, aber nicht nach Mazaka. Sobald wir so hoch sind, daß das Klima kühler und hoffentlich auch gesünder ist, lasse ich euch bei Leuten zurück, die ich dort noch finden muß, und reise allein nach Kappadokien weiter.«
    Julia wollte widersprechen, hielt dann aber doch den Mund. Sie hatte Gaius Marius zwar nie im Feld erlebt, aber schon oft gehört, daß er bei seinen Befehlen keinen Widerspruch duldete. Sie spürte, daß ihn ein Problem plagte. Es mußte mit Kappadokien zu tun haben.
    Zwei Tage später brachen sie auf, begleitet von einer Gruppe einheimischer Soldaten unter dem Befehl eines jungen Griechen aus Tarsos, der bei Marius einen sehr guten Eindruck gemacht hatte. Auch Julia schätzte ihn, was nur von Vorteil war, wie sich später herausstellen sollte. Auf dieser Reise ging niemand zu Fuß, denn der Weg führte über einen Paß, die Kilikische Pforte, und war steil und beschwerlich. Für Julia, die im Damensattel auf einem Esel saß, machte die Schönheit des Anstiegs die Unbequemlichkeit wett: Sie ritten auf schmalen Pfaden durch ein gewaltiges Gebirge, und je höher sie kamen, desto höher lag auch der Schnee. Julia konnte kaum glauben, daß sie drei Tage zuvor noch an der Küste in der Hitze gestöhnt hatte. Jetzt holte sie aus ihren Kisten sämtliche warmen Kleider, die sie dabei hatte. Das Wetter blieb ruhig und sonnig, aber als die Reisenden in die dunklen Kiefernwälder eintauchten, froren sie bis auf die Knochen. Sie waren froh, als die Wälder nackten Felsen wichen. Wilde Bäche tosten herab und vereinten sich zu einem reißenden Fluß, der schäumend und spritzend gegen Felswände klatschte und Schluchten hinunterstürzte.
    Nach vier Tagen war der Anstieg mehr oder

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