MoR 03 - Günstlinge der Götter
reichverzierten und geschmückten Sattel und verschiedenen laut klimpernden silbernen Anhängern. Pompeius beglückwünschte sich selbst zu seiner Erscheinung, als er in der Mitte der Straße entlangritt, gefolgt von seinen Soldaten in Reih und Glied. Er sah aus wie ein einfacher Soldat, der sich auf sein Handwerk verstand. Sollte das Pferd von seinem Ruhm künden!
Beneventum lag auf der anderen Seite des Flusses Calor, an der Stelle, wo die Via Appia auf die von der apulischen und calabrischen Küste kommende Via Minucia stieß. Die Sonne stand senkrecht am Himmel, als Pompeius von einer Anhöhe zur Furt des Calor hinuntersah. Und dort, am jenseitigen Ufer, wartete Lucius Cornelius Sulla mitten auf der Straße. Er saß auf einem unaussprechlich müde aussehenden Maultier, und nur Varro begleitete ihn. Wo war das Volk? Wo waren Sullas Legaten, seine Truppen?
Instinktiv drehte Pompeius den Kopf und befahl dem Standartenträger der vorausmarschierenden Legion, die Soldaten anzuhalten. Dann ritt er ganz allein den Hang hinunter auf Sulla zu. Sein Gesicht war wie versteinert. Als Pompeius auf hundert Schritt herangekommen war, fiel Sulla mehr oder weniger von seinem Maultier. Er konnte sich nur auf den Beinen halten, weil er einen Arm um den Hals des Maultiers schlang und sich mit der anderen Hand an dessen schmutzigem Ohr festhielt. Mühsam richtete er sich auf und schickte sich an, Pompeius schwankend über die breite, leere Straße entgegenzugehen.
Pompeius glitt vom Rücken seines silbern glänzenden Pferdes, obgleich er fürchtete, daß auch ihm die Beine versagen könnten, so sehr hatte die Überraschung ihn geschwächt. Doch seine Beine trugen ihn. Zumindest einer von uns muß die Würde bewahren, dachte er, und schritt aus.
Selbst aus der Entfernung hatte er erkannt, daß dieser Sulla, den er vor sich sah, nichts mit dem Sulla gemein hatte, an den er sich zu erinnern glaubte. Je näher er kam, desto deutlicher sah er, wie schrecklich Zeit und Krankheit Sulla zugesetzt hatten. Doch er war vor Entsetzen noch wie betäubt und empfand kein Mitgefühl oder gar Mitleid, sondern nur eine so intensive körperliche Abneigung, daß er einen Augenblick lang glaubte, er müsse sich erbrechen.
Sulla war betrunken. Pompeius hätte ihm das verziehen, wäre es der Sulla gewesen, den er am Tag seines Amtsantritts als Konsul kennengelernt hatte. Doch von der Schönheit und Faszination jenes Menschen war nichts geblieben, nicht einmal die Würde grauer oder weißer Haare. Der Sulla, den er vor sich sah, hatte seinen kahlen Schädel mit einer Perücke bedeckt, einem häßlichen Gewirr rötlichbrauner Locken, unter dem vor den Ohren in zwei geraden, silbernen Strähnen seine eigenen Haare hervorwuchsen. Sulla hatte keine Zähne mehr; sein eingekerbtes Kinn war dadurch länger geworden, und der Mund unter der unverwechselbaren Nase mit der leichten Einbuchtung an der Spitze sah aus wie eine gezackte Narbe. Die Haut seines Gesichts schälte sich; an manchen Stellen war sie blutigrot, an anderen so weiß wie früher. Und obwohl Sulla bis auf die Knochen abgemagert war, mußte er vor nicht allzu langer Zeit sehr dick gewesen sein, denn sein Gesicht war runzlig, und auch an seinem Hals hing die Haut schlaff und faltig herab.
Pompeius kämpfte mit Tränen der Enttäuschung. Wie konnte sein Stern vor diesem Jammerbild menschlichen Elends strahlen?
Fast hatten sie einander erreicht. Pompeius streckte die rechte Hand aus. Er hielt die Finger gespreizt und die Handfläche senkrecht nach oben.
»Imperator!« rief er.
Sulla kicherte und streckte Pompeius unter gewaltiger Anstrengung die Hand entgegen. »Imperator!« rief er, dann fiel er gegen Pompeius. Sein feuchter, fleckiger Lederharnisch stank nach Sodbrennen und Wein.
Plötzlich stand Varro an Sullas Seite. Gemeinsam halfen sie Lucius Cornelius Sulla auf den Rücken seines schmutzigen Maultiers.
»Er wollte dir unbedingt entgegenreiten«, sagte Varro leise. »Nichts konnte ihn davon abbringen.«
Pompeius drehte sich im Sattel seines Staatspferdes um und bedeutete seinen Truppen durch ein Handzeichen, sich in Bewegung zu setzen. Dann nahmen er und Varro Sulla in die Mitte und ritten in Richtung Beneventum.
»Ich kann es immer noch nicht glauben!« stöhnte Pompeius, nachdem sie den nahezu bewußtlosen Sulla seinen Männern übergeben hatten.
»Die letzte Nacht war für ihn besonders schlimm«, sagte Varro. Er wußte nicht, wie sehr Pompeius in seinen Phantasien enttäuscht
Weitere Kostenlose Bücher