MoR 03 - Günstlinge der Götter
worden war.
»Was meinst du damit?«
»Seine Haut. Als Sulla so krank wurde, daß die Ärzte um sein Leben fürchteten, schickten sie ihn nach Aedepsus, einen kleinen Badeort außerhalb der Stadt Chalkis auf Euböa. Die Ärzte des dortigen Tempels sollen die besten in ganz Griechenland sein. Und sie haben ihm wirklich das Leben gerettet! Er durfte kein reifes Obst, keinen Honig, kein Brot und keinen Kuchen essen und keinen Wein trinken. Doch die Bäder haben seine Gesichtshaut in Mitleidenschaft gezogen. Seit er in Aedepsus war, leidet er an Anfällen schlimmsten Juckreizes und kratzt sich das Gesicht blutig. Er ißt immer noch kein Obst, keinen Honig, kein Brot und keinen Kuchen. Nur Wein bringt ihm Erleichterung, deshalb trinkt er ihn.« Varro seufzte. »Er trinkt viel zu viel.«
»Und warum nur im Gesicht? Warum nicht auch an Armen und Beinen?« fragte Pompeius, der nicht wußte, ob er diese Geschichte glauben sollte.
»Er hatte einen schlimmen Sonnenbrand im Gesicht. Du erinnerst dich sicher, daß er in der Sonne immer einen breitkrempigen Hut trug. Doch einmal bestand er trotz seiner Krankheit darauf, einer Zeremonie beizuwohnen, die in einem kleinen Ort zu seinem Empfang veranstaltet wurde. Aus Eitelkeit trug er einen Helm statt des Hutes. Vermutlich hat das seine Haut ruiniert.« Varro schien fasziniert, Pompeius war abgestoßen. »Sein Kopf sieht aus wie eine mit Mehl bestreute Maulbeere. Außergewöhnlich!«
»Du sprichst so salbungsvoll wie diese griechischen Ärzte«, sagte Pompeius, der sich allmählich von seinem Schock erholte. »Wo sind wir untergebracht? Weit von hier? Und was ist mit meinen Männern?«
»Ich nehme an, Metellus Pius hat deinen Männern ein Lager zugewiesen. Wir sind nicht weit von hier in einem schönen Haus untergebracht. Wenn du jetzt frühstücken willst, können wir danach zu deinen Männern hinausreiten.« Varro legte die Hand auf Pompeius’ sehnigen Arm. Er hätte gern gewußt, was in Pompeius vorging. Daß Pompeius kein Mitleid empfand, hatte er gemerkt. Aber warum war er so niedergeschlagen?
An jenem Abend veranstaltete Sulla zu Ehren der beiden Neuankömmlinge ein großes Bankett in seinem Quartier; dort sollten sie die anderen Legaten kennenlernen. Die Nachricht von Pompeius’ Ankunft, von seiner Jugend und Schönheit und von der Verehrung, die seine Soldaten ihm entgegenbrachten, hatte sich in Beneventum wie ein Lauffeuer verbreitet. Amüsiert betrachtete Varro die verärgerten Mienen von Sullas Legaten. Sie sahen aus wie kleine Kinder, denen die Amme eine köstliche Honigwabe weggenommen hatte. Als Sulla Pompeius dann auch noch den Ehrenplatz auf seiner eigenen Liege einräumte und niemanden zwischen sich und Pompeius kommen ließ, stand blanker Haß in ihren Augen. Pompeius ließ sich freilich nicht aus der Ruhe bringen. Er machte es sich mit sichtlichem Vergnügen bequem und unterhielt sich mit Sulla, als wären sie allein.
Sulla war jetzt nüchtern. Der Juckreiz schien nachgelassen zu haben, und die wunden Stellen seines Gesichts waren verschorft. Er war ruhig und freundlich und offensichtlich von Pompeius beeindruckt. Varro fühlte sich in seiner Meinung über Pompeius bestätigt.
Er begann sich nach den anderen Anwesenden umzusehen, zunächst nach dem Mann, der neben ihm lag — Appius Claudius Pulcher, den er mochte und schätzte. »Ist Sulla noch fähig, uns zu führen?« fragte er ihn.
»Er ist so brillant wie eh und je. Wenn wir es schaffen, ihn nüchtern zu halten, wird er Carbo besiegen, Carbo mag an Truppen aufbieten, was er will.« Appius Claudius erschauerte und zog eine Grimasse. »Spürst du das Böse, das in diesem Raum anwesend ist, Varro?«
»Ganz deutlich«, sagte Varro, obgleich er nicht annahm, daß Appius Claudius die Atmosphäre meinte, die er selbst spürte.
»Ich habe mich in den kleineren Tempeln Delphis ein wenig mit diesem Thema beschäftigt«, fuhr Appius Claudius fort. »Um uns herum wirken höhere Mächte, unsichtbare Mächte natürlich. Die meisten Menschen spüren sie nicht, aber du und ich, Varro, wir registrieren genau, was bestimmte Orte ausstrahlen.«
»Was für Orte?« fragte Varro verblüfft.
»Unter uns und überall um uns«, erklärte Appius Claudius mit Grabesstimme. »Höhere Mächte — anders kann ich es nicht ausdrücken. Wie kann man das Unsichtbare beschreiben, das nur empfängliche Menschen wie wir wahrnehmen? Ich meine nicht die Götter auf dem Olymp oder irgendwelche göttlichen Wesen.«
Appius Claudius
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