MoR 03 - Günstlinge der Götter
redete pausenlos weiter, während Varro seine Aufmerksamkeit anderen Anwesenden zuwandte. Zunächst versuchte er, die Legaten Sullas einzuschätzen.
Da waren einmal Philippus und Cethegus, zwei Wendehälse, die nach jedem Wechsel der Amtsinhaber sofort bestrebt waren, auch den neuen Herren von Rom zu dienen, und das schon seit dreißig Jahren. Philippus war der nach außen Erfolgreichere der beiden; er war nach einigen vergeblichen Versuchen Konsul und unter Cinna und Carbo sogar Zensor geworden, was den Höhepunkt der politischen Karriere eines Mannes darstellte. Cethegus hingegen, ein patrizischer Cornelier und entfernter Verwandter Sullas, hatte es vorgezogen, seine Macht im Hintergrund auszuüben, indem er die anderen Hinterbänkler im Senat manipulierte. Die beiden lagen nebeneinander, unterhielten sich laut und ignorierten alle anderen.
Auch die jungen Legaten Verres, Catilina und Ofella blieben unter sich. Was für ein Trio! Varro war überzeugt, daß alle drei Schurken waren, obgleich Ofella mehr um sein Ansehen besorgt schien als um irgendwelche zukünftigen Profite. Bei Verres und Catilina dagegen gab es keinen Zweifel: Ihre einzige Triebfeder war die Habgier.
Auf einer weiteren Liege lagen drei ehrenwerte und aufrechte Männer: Mamercus, Metellus Pius und Varro Lucullus, ein adoptierter Varro und in Wirklichkeit der Bruder von Sullas treuestem Gefolgsmann Lucullus. Sie machten aus ihrer Abneigung gegen Pompeius kein Hehl.
Mamercus war Sullas Schwiegersohn, ein ruhiger, vernünftiger Mensch, der Sullas Vermögen gerettet und Sullas Familie sicher nach Griechenland gebracht hatte.
Metellus Pius das Ferkel und sein Quästor Varro Lucullus waren im April von Liguria nach Puteoli gesegelt und dann durch die Campania marschiert, um sich Sulla anzuschließen, kurz bevor Carbos Senat die Truppen mobilisiert hatte, die sie hätten aufhalten können. Bis zu Pompeius’ Erscheinen hatten sie sich in den warmen Strahlen der dankbaren Anerkennung Sullas gesonnt, dem sie zwei Legionen kampferprobter Soldaten gebracht hatten. Ihre Abneigung gegen Pompeius beruhte in erster Linie auf dessen Abstammung, weniger auf seinem Handeln. Ein Pompeius aus dem nördlichen Picenum? Ein Emporkömmling, ein Parvenü! Ein Nichtrömer! Sein Vater, der aufgrund seiner Kriegsführung den Spitznamen »der Schlächter« erhalten hatte, mochte Konsul gewesen sein und großen politischen Einfluß gehabt haben, doch mit Pompeius konnte Metellus Pius oder Varro Lucullus nichts versöhnen. Kein echter Römer, ob nun aus einer Senatorenfamilie oder nicht, hätte es gewagt, im Alter von zweiundzwanzig auf vollkommen illegale Weise ein Heer aufzustellen, es dem großen Patrizier Lucius Cornelius Sulla zuzuführen und dann mehr oder weniger zu verlangen, daß Sulla ihn als Partner anerkenne. Die Legionen, die Metellus Pius und Varro Lucullus Sulla gebracht hatten, waren automatisch Sullas Befehl unterstellt worden, und er konnte mit ihnen anfangen, was er wollte. Hätte Sulla dankend angenommen und die beiden Legaten dann fortgeschickt, hätten sie sich zwar vielleicht geärgert, aber sofort gehorcht. Brav und phantasielos, dachte Varro. Und hier lagen sie auf derselben Liege und starrten Pompeius wütend an, weil dieser seine Truppen dazu benutzt hatte, ein Kommando zu bekommen, das weder seinem Alter noch seiner Herkunft entsprach. Er hatte Sulla erpreßt.
Für den weitaus interessantesten Mann hielt Varro jedoch Marcus Licinius Crassus. Im Herbst des vorangegangenen Jahres war er in Griechenland eingetroffen und hatte Sulla zweieinhalbtausend gute spanische Soldaten angeboten. Doch Sulla hatte ihn kaum herzlicher empfangen als Metellus Pius, den Crassus im Sommer in Africa aufgesucht hatte.
Grund des kühlen Empfangs war in erster Linie der katastrophale Ausgang einer Spekulation, zu der Crassus und sein Freund, der jüngere Titus Pomponius, römische Investoren angestiftet hatten. Es war gegen Ende des ersten Jahres gewesen, in dem sich Cinna und Carbo das Konsulat teilten. Als die Nachricht eintraf, daß von seiten König Mithridates’ keine Bedrohung mehr bestand, da Sulla den Vertrag von Dardanus mit ihm abgeschlossen hatte, machten Crassus und Titus Pomponius sich den daraufhin ausbrechenden Optimismus geschäftlicher Investoren zunutze und boten Anteile eines Spekulationsgeschäfts in Asia an. Der Zusammenbruch folgte, als bekannt wurde, daß Sulla die Finanzen der römischen Provinz von Grund auf neu geordnet hatte und daß durch
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