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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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alle, die er kannte. Er brauchte Sulla. Wenn er diesen für sich gewinnen wollte, mußte er ihm jedoch etwas schenken, denn er besaß nicht den Charme und die Bildung eines Titus Pompeius Atticus. Das einzige Geschenk, das er Sulla anbieten konnte, war ein Heer, das er unter den früheren Klienten seines Vaters aushob: Es bestand nur aus fünf Kohorten, die allerdings gut ausgebildet und ausgerüstet waren.
    Crassus verließ Spanien und fuhr zunächst nach Utica in der Provinz Africa, denn er hatte gehört, daß Quintus Caecilius Metellus, den Gaius Marius »das Ferkel« genannt hatte, dort nach wie vor versuchte, sich als Statthalter zu behaupten. Crassus traf im Frühsommer ein, aber Metellus gab ihm zu verstehen, daß er als Inbegriff römischer Tugenden keinen Gefallen an seinen Geschäften fand. Also überließ Crassus Metellus seinem Schicksal und ging nach Griechenland zu Sulla, der die fünf Kohorten zwar gnädig angenommen, ihm dann jedoch die kalte Schulter gezeigt hatte.
    Jetzt lag er neben den anderen Legaten, die Augen unverwandt auf Sulla gerichtet. Er wartete auf ein kleines Zeichen der Anerkennung und war ganz offensichtlich darüber verärgert, daß Sulla sich nur für Pompeius interessierte. »Crassus« war seit vielen Generationen der Beiname der berühmten Familie Licinius, und noch immer, dachte Varro, machten die Mitglieder der Familie aufgrund ihres Körperumfangs dem Namen alle Ehre. Crassus war zwar größer, als er aussah, aber zugleich stark wie ein Ochse, und sein Gesicht sah gutmütig aus wie das eines Ochsen.
    Varro warf einen letzten Blick auf die versammelten Männer und seufzte. Ja, Crassus war der interessanteste unter ihnen. Ehrgeizig waren sie alle, die meisten wahrscheinlich auch begabt und einige skrupel- und gewissenlos, aber Marcus Crassus war, von Pompeius und Sulla abgesehen, derjenige, den man künftig besonders im Auge behalten mußte.
    Als Varro neben dem vollkommen nüchternen Pompeius nach Hause ging, war er froh, Pompeius’ Aufforderung nachgegeben und sich dem Feldzug angeschlossen zu haben.
    »Worüber hast du mit Sulla gesprochen?« fragte er.
    »Über nichts Weltbewegendes.«
    »Ihr habt sehr leise geredet.«
    »Ja, nicht wahr?« Varro spürte Pompeius’ Lächeln eher, als daß er es sah. »Sulla ist nicht dumm, auch wenn er sich verändert hat. Daß die anderen uns nicht hören konnten, hat sie sicher mißtrauisch gemacht. Wir könnten ja über sie gesprochen haben.«
    »Hat Sulla zugestimmt, den Feldzug mit dir als Partner durchzuführen?«
    »Ich habe das Kommando über meine eigenen Legionen behalten. Mehr wollte ich nicht. Er weiß, daß ich sie ihm nicht geschenkt, ja nicht einmal geliehen habe.«
    »Habt ihr offen darüber gesprochen?«
    »Ich sagte dir bereits, der Mann ist nicht dumm«, sagte Pompeius kurz angebunden. »Wir haben nur über wenig gesprochen. Entsprechend wenig gibt es, an das er sich halten müßte.«
    »Und du bist damit zufrieden?«
    »Aber ja! Er weiß, daß er mich braucht.«

Sulla stand vor dem Morgengrauen auf, und eine Stunde später marschierte sein Heer in Richtung Capua. Sein Handeln war nun ganz von seiner Hautkrankheit bestimmt. Da Sulla gerade einen Anfall überstanden hatte, wußte er, daß er einige Tage Ruhe haben würde, vorausgesetzt, er tat nichts, was den Juckreiz erneut auslöste. Dazu gehörte, daß er seine Hände streng unter Kontrolle hielt. Er durfte sein Gesicht auf keinen Fall berühren, und das fiel ihm schwer genug, denn wie oft faßt man sich ganz unabsichtlich an Stirn oder Mund. Erst wenn die feuchten Bläschen sich schlossen und verschorften, begann die Haut wieder zu jucken. Am ersten Tag war es noch am leichtesten auszuhalten, doch mit der Zeit vergaß Sulla dann alle Vorsicht, kratzte sich an Nase oder Wange, und der ganze gräßliche Kreislauf begann von neuem. Also hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, vor dem nächsten Ausbruch des Juckreizes so viel wie möglich zu erledigen und sich dann bewußtlos zu trinken, bis alles vorbei war.
    Wie mühsam das war! Es gab so viel zu tun, und er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Auch bisher war ihm nichts in den Schoß gefallen, doch seit er vor über einem Jahr in Griechenland erkrankt war, fragte er sich immer wieder, warum er überhaupt noch weitermachte. Er wußte genau, daß er nur noch eine begrenzte Zeit zu leben hatte.
    Nur an einem Tag wie diesem, an dem er gerade einen Anfall hinter sich hatte, war ihm klar, warum er weitermachte: Weil er

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