MoR 03 - Günstlinge der Götter
der größte Mann seiner Zeit war, auch wenn die Welt das nicht zugeben wollte. Nabupolassar hatte das erkannt, damals am Ufer des Euphrat, und nicht einmal die Götter konnten einen Seher der Chaldäer täuschen. Größer zu sein als alle anderen Menschen, das begriff Sulla an einem Tag wie diesem, bedeutete auch größeres Leiden. Er dachte an seinen Gast vom Abend zuvor und unterdrückte ein Lächeln, um die Gesichtshaut nicht zu reizen. Pompeius hatte keine Ahnung, was Größe war.
Pompeius der Große! Ein junger Mann, der tatsächlich glaubte, daß Größe einem zufiel, daß jemand von Geburt an groß war und es immer sein würde. Sulla wünschte sich plötzlich inbrünstig, zu erleben, wer oder was diesen großen Pompeius zu Fall bringen würde. Zugegeben, Pompeius war ein faszinierender Bursche, ein Phänomen. Gewiß kein treuer Untertan! Pompeius war, auch seinem eigenen Verständnis nach, sein Rivale. Schon jetzt, mit zweiundzwanzig Jahren. Seine Veteranenlegionen konnte Sulla gut gebrauchen. Aber konnte er auch Pompeius den Großen gebrauchen? Zunächst mußte er ihm viel Freiheit geben. Pompeius durfte nur Aufgaben bekommen, die er bewältigen konnte. Das schmeichelte ihm, nährte seine kolossale Eitelkeit! Er sollte glauben, daß er derjenige war, der andere benutzte, nicht umgekehrt. Nein, Sulla würde Pompeius’ Ende nicht erleben. Er wollte vielmehr dafür sorgen, daß Pompeius nichts passierte — dazu war Pompeius viel zu nützlich, viel zu wertvoll.
Sullas Maultier schrie und warf den Kopf auf und ab, als wolle es seine Gedanken bestätigen. Wieder unterdrückte Sulla ein Lächeln, um sein Gesicht zu schonen. Er wartete jetzt schon so lange auf einen Topf Salbe und ein Rezept für diese Salbe. Vor fast zehn Jahren hatte er zum ersten Mal an dieser Hautkrankheit gelitten, auf dem Rückweg vom Euphrat. Wie erfolgreich jener Feldzug verlaufen war!
Sein Sohn hatte ihn damals begleitet, Julillas Sohn. Er war ihm der Freund und Vertraute gewesen, den er zuvor nie besessen hatte. Ein vollkommener Partner in einer vollkommenen Beziehung. Was für Gespräche sie geführt hatten! Sie hatten sich über alles unterhalten können. Der Junge hatte dem Vater vieles verziehen, was dieser sich selbst nie hatte verzeihen können. Nicht Morde oder andere Dinge, zu denen einen das Leben zwang, sondern Charakterschwächen, unvernünftige und unerfüllbare Sehnsüchte und Neigungen. Wie ernst hatte der junge Sulla ihm zugehört, wie gut hatte er, der noch so jung war, ihn verstanden und getröstet und Entschuldigungen vorgebracht, die damals sogar stichhaltig schienen. Und Sullas öde Welt hatte angefangen zu glühen, hatte sich entfaltet, hatte eine Tiefe und Dimension bekommen, die nur sein geliebter Sohn ihr hatte geben können. Und dann, als sie sicher von der Reise in die unbekannten Gebiete jenseits des Euphrat zurückgekehrt waren, war sein geliebter Sohn gestorben. Einfach so, innerhalb von zwei Tagen. Sein Freund und Vertrauter hatte ihn verlassen.
Tränen schossen ihm in die Augen — doch nein! Er durfte nicht weinen! Die erste Träne, die seine Wangen hinunterrann, würde den Juckreiz wieder entfesseln. Er konzentrierte sich auf die Salbe, die seine Qual linderte, ihn heilte. Morsimus hatte sie einst in einem vergessenen Dorf irgendwo in der Nähe des Flusses Pyramos in Cilicia entdeckt.
Vor einem halben Jahr hatte er nach Morsimus geschickt, der inzwischen Ethnarch in Tarsos geworden war, und ihn gebeten, die Salbe oder das Rezept zu beschaffen, auch wenn er dafür jedes cilicische Dorf durchsuchen müsse. Nur dann konnte Sulla auf Heilung hoffen. Bis dahin blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten, zu leiden und durch sein Leiden noch größer zu werden. Aber davon, dachte Sulla, verstehst du nichts, Pompeius Magnus.
Hinter Sulla ritten Metellus Pius das Ferkel und Marcus Crassus. Pompeius bildete mit seinen drei Legionen die Nachhut. Sulla winkte Metellus und Crassus zu sich. Als sie auf gleicher Höhe waren, sagte er: »Ich habe ein Problem.«
»Mit wem?« fragte Metellus ahnungsvoll.
»Aha, du weißt es schon!« sagte Sulla mit ausdruckslosem Gesicht. »Mit unserem lieben Philippus.«
Auch Crassus war sofort im Bild. »Und das Problem ist um so schlimmer, als wir auch Appius Claudius dabei haben. Appius Claudius ist immerhin Philippus’ Onkel, und das hätte Philippus eigentlich davon abhalten sollen, Appius Claudius aus dem Senat auszuschließen.«
»Das hat er wahrscheinlich deshalb
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