MoR 03 - Günstlinge der Götter
eigentlichen Gesetzgebung, einer so großen Flut neuer Bestimmungen, daß der Senat entsetzt aufstöhnte.
»Unsere Gerichte arbeiten schwerfällig und zeitaufwendig«, stellte Sulla fest. »Die Komitien sollten sich nicht mit zivil- oder strafrechtlichen Klagen befassen; solche Verfahren sind zu langwierig und politisch manipulierbar und werden zu sehr durch den Ruf oder die Popularität des Angeklagten beeinflußt — vom Ruf der Verteidiger ganz zu schweigen. Und ein mehrere tausend Stimmen großes Schwurgericht ist weder praktikabel noch vernünftig. Ich werde in Rom sieben ständige Gerichtshöfe einrichten, zuständig für Verrat, Wucher, Veruntreuung, Bestechung, Urkundenfälschung, Gewaltverbrechen und Mord. Alle Verbrechen außer dem letztgenannten betreffen in irgendeiner Weise Staat oder Schatzamt, deshalb sollen Prätoren die Vorsitzenden der ersten sechs Gerichte sein. Die genaue Verteilung bestimmt das Los. Das Mordgericht soll sämtliche Fälle von Mord, Brandstiftung, Zauberei, Giftmischerei und Meineid verhandeln — und ein neues Verbrechen, das ich Justizmord nennen will: eine Exilstrafe, mit der jemand auf gerichtlichem Weg einen anderen schädigt. Ich gehe davon aus, daß das Mordgericht am meisten zu tun hat, aber auch die einfachsten Fälle verhandelt. Sein Vorsitzender soll jemand sein, der Ädil, aber noch nicht Prätor war. Ernannt wird er von den Konsuln.«
Hortensius, der seine größten Triumphe in der Volksversammlung gefeiert hatte, wo er wegen seines Redestils und seiner Fähigkeit, die Massen mitzureißen, zur Legende geworden war, war entsetzt. Die neuen Geschworenengerichte waren für seinen Geschmack entschieden zu klein.
»Damit geht die echte Kunst der Verteidigung unter!« rief er.
»Das ist doch völlig unwichtig.« Sulla sah ihn erstaunt an. »Viel wichtiger ist das gerichtliche Verfahren, und das soll aus den Händen der Komitien genommen werden, Quintus Hortensius, dazu bin ich fest entschlossen! Ich werde die Volksversammlung jedenfalls auffordern, die Einrichtung dieser neuen ständigen Gerichtshöfe per Gesetz zu bestätigen. Die Komitien werden ihre richterlichen Aufgaben damit formell an diese Gerichte abgeben.«
»Ausgezeichnet!« sagte der Historiker Lucius Cornelius Sisenna. »Damit wird jeder vor Gericht verhandelte Fall sozusagen mit Billigung der Komitien verhandelt, und eine Berufung vor einer Versammlung der Komitien nach der Urteilsverkündung ist nicht mehr möglich.«
»Genau, Sisenna! Und das macht der Richtertätigkeit dieser Versammlungen ein Ende!«
»Aber das ist ja empörend!« rief Catulus aufgebracht. »Und zudem völlig verfassungswidrig! Jeder römische Bürger hat Anspruch auf Rechtsmittel!«
»Rechtsmittel und Verfahren sind ein und dasselbe, Quintus Lutatius«, belehrte ihn Sulla, »und Teil der neuen römischen Verfassung.«
»Die alte Verfassung war in diesen Fragen gut genug!«
»Die Geschichte hat eines allzu deutlich gezeigt: daß so mancher Schuldige durch die Bestimmungen der alten Verfassung freigekommen ist, weil sich die Volksversammlung von der Rhetorik einiger Redner blenden und dazu verleiten ließ, ein rechtmäßiges Urteil umzustoßen. Empörend war, wie aus solchen Verfahren schamlos politisches Kapital geschlagen wurde, Quintus Lutatius. Rom ist inzwischen so groß und hat so viele Aufgaben, daß es nicht an veralteten Bräuchen und Verfahren festhalten darf, die aus einer Zeit stammen, als Rom kaum größer als ein Dorf war. Ich verweigere niemandem einen gerechten Prozeß. Im Gegenteil, ich mache den Prozeß gerechter. Und das Verfahren einfacher.«
»Und wer sind die Geschworenen?« fragte Sisenna.
»Sie kommen ausschließlich aus dem Senat — ein Grund mehr, warum ich dort eine Reserve von mindestens vierhundert Männern brauche. Der Dienst des Geschworenen ist eine Belastung, und das bleibt er auch weiterhin, wenn sieben Gerichtshöfe besetzt werden müssen. Allerdings will ich die Anzahl der Geschworenen verringern. Fünfzig werden es nur noch bei schweren Verbrechen gegen die Allgemeinheit sein. Ansonsten soll die Anzahl in Zukunft von der Zahl der verfügbaren Männer abhängen, und wenn diese zufällig gerade ist, soll Gleichstand bei der Entscheidung Freispruch bedeuten. Der Senat ist bereits in Dekurien von zehn Männern mit je einem patrizischen Senator als Vorsitzendem unterteilt. Aus diesen Dekurien sollen die Geschworenen kommen, wobei allerdings keine Dekurie für immer einem bestimmten Gericht
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