MoR 03 - Günstlinge der Götter
Kindes, des schrecklichen Ungeheuers Publius Clodius, gestorben.«
»Aber wie ging es weiter, Niger?« fragte Cicero freundlich.
»Daß Roscius so mächtige Leute wie Metellus Nepos und die ehemalige Vestalin aus der Familie Caecilius Metellus kennt, bereitete den beiden Vettern einige schlaflose Nächte, wie sich herausstellte. Sie fürchteten, es könne Roscius gelingen, eine Audienz bei Sulla zu bekommen. Ihn umzubringen, wagten sie jetzt nicht mehr, denn sie hätten damit riskiert, daß die Caecilii Metelli eine Untersuchung einleiten, und dabei wären ihre Machenschaften herausgekommen. So hielten sie es für besser, Roscius’ Ruf zu ruinieren und ihm mit gefälschten Beweisen die Schuld an der Ermordung seines Vaters in die Schuhe zu schieben. Kennst du einen gewissen Erucius?«
Cicero verzog verächtlich das Gesicht. »Wer kennt ihn nicht? Er ist von Berufs wegen Ankläger.«
»Er hat Roscius des Mordes an seinem Vater beschuldigt. Die Zeugen der Bluttat, die Sklaven des alten Roscius, waren mit dem anderen Besitz inzwischen natürlich an Chrysogonus verkauft worden, so daß unwahrscheinlich war, daß sie in einem Prozeß die Wahrheit sagen würden! Erucius ist übrigens überzeugt, daß Roscius keinen fähigen Anwalt findet, der ihn vertritt. Sulla ist zu gefürchtet, als daß jemand es wagt, seine Proskriptionen anzugreifen.«
»Dann muß sich Erucius in acht nehmen«, sagte Cicero energisch. »Ich bin bereit, deinen Freund Roscius zu verteidigen, Niger.«
»Hast du keine Angst vor Sullas Zorn?«
»Ach Unsinn! Keine Spur! Ich weiß genau, wie ich es anstellen muß. Und ich prophezeie dir, Sulla wird mir danken.« Cicero lächelte vergnügt.
Obwohl vor dem Mordgericht bereits andere Fälle verhandelt worden waren, erregte der Prozeß gegen Sextus Roscius aus Ameria, der angeklagt war, seinen Vater getötet zu haben, ganz besonderes Aufsehen. Laut Sullas Gesetz sollte ein ehemaliger Ädil dem Gericht Vorsitzen, aber in diesem Jahr leitete der ehemalige Prätor Marcus Fannius die Verhandlungen. Cicero ließ in seiner Eröffnungsrede weder die Geschworenen noch die Zuschauer im Zweifel darüber, daß seine Verteidigung hauptsächlich auf den korrupten Machenschaften hinter Sullas Proskriptionen aufbauen würde.
Als der letzte Verhandlungstag mit Ciceros Schlußplädoyer kam, stand neben dem Gerichtsvorsitzenden der elfenbeinerne Amtsstuhl des Konsuls. Auf ihm saß kein Geringerer als Lucius Cornelius Sulla.
Die Anwesenheit des Diktators brachte Cicero nicht aus der Fassung. Sie spornte ihn vielmehr zu einem rhetorischen Höhenflug von unerhörter Brillanz an.
»Es gibt drei Schuldige in dieser abscheulichen Affäre«, begann er, an Sulla gerichtet, nicht an die Jury. »Die Vettern Titus Roscius Capito und Titus Roscius Magnus sind die offenkundigen Täter, und doch sind sie es nur an zweiter Stelle. Was sie getan haben, hätte ohne Proskriptionen nicht getan werden können. Ohne Lucius Cornelius... « — Cicero machte eine so lange Pause, daß selbst Messala Niger in Gedanken den Namen »Sulla« ergänzte — »... Chrysogonus hätten sie ihren abscheulichen Plan nicht zur Ausführung gebracht. Wer ist dieser Chrysogonus? Ich will es euch sagen! Er ist Grieche. Das ist keine Schande. Er ist ehemaliger Sklave. Das ist keine Schande. Er ist Freigelassener. Das ist keine Schande. Er ist ein Klient von Lucius Cornelius Sulla. Das ist keine Schande. Er ist reich. Das ist keine Schande. Er ist mächtig. Das ist keine Schande. Er ist für die Durchführung der Proskriptionen verantwortlich. Das ist keine Schande — was? Oh, Verzeihung! Ich bitte euch vielmals um Verzeihung, Senatoren! Ihr seht, was passiert, wenn man sich ins Reden hineinsteigert. Ich habe mich mitreißen lassen! Noch Stunden hätte ich >Das ist keine Schande< sagen können! Eine regelrechte rhetorische Falle!«
Cicero hatte sich in Schwung geredet und machte jetzt eine Pause, um die nächsten Worte bewußt bis zur Neige auszukosten. »Laßt es mich wiederholen: Chrysogonus ist für die Durchführung der Proskriptionen verantwortlich. Und genau darin liegt die ungeheure Schande, eine Schande von gigantischen, von olympischen Ausmaßen! Seht hier diesen großen Mann auf dem Stuhl des Konsuls — dieses Ideal römischer Tugend, diesen Feldherrn ohnegleichen, diesen Staatsmann einer neuen Zeit, dieses funkelnde Juwel in der Krone des berühmten Geschlechtes der Cornelier! Seht ihn euch an. Wie er so ruhig, so unvoreingenommen und so
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