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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Prozeß gibt es mehr politische Fallen als spitze Pfähle in einem Wehrgraben! Nur ein einziger Mann hat eine Chance, ihn zu gewinnen, und das bist du, Marcus Tullius. Nicht einmal Hortensius wollte den Fall übernehmen.«
    In Ciceros dunklen Augen glomm Interesse auf. Er neigte den Kopf und sah Messala Niger unter gerunzelten Brauen scharf an. »Ein Mordfall soll so schwierig sein? Wieso?«
    »Wer immer die Verteidigung Roscius’ aus Ameria übernimmt, greift Sullas gesamtes System der Proskriptionen an«, sagte Messala Niger. »Um Roscius freizubekommen, muß man nachweisen, daß Sulla und seine Proskriptionen völlig korrupt sind.«
    Der sinnliche Mund mit der vollen Unterlippe rundete sich zu einem stummen Pfiff. »Ihr Götter!«
    »Ja, ihr Götter. Bist du noch interessiert?«
    »Ich weiß nicht...« Cicero runzelte die Stirn und kämpfte mit sich. Die eigene Haut war ihm lieb, aber ein Fall wie dieser versprach mehr juristische Lorbeeren als jeder andere. »Erzähle mir mehr, Niger. Dann sehen wir weiter.«
    Niger setzte sich und versuchte seine Worte so zu wählen, daß Ciceros Interesse weiter geweckt wurde. »Sextus Roscius ist so alt wie ich, und ich kenne ihn seit der Schulzeit. Wir haben beide unter Lucius Caesar und Sulla in der Campania gedient und an sechs Feldzügen teilgenommen. Roscius’ Vater besaß den größten Teil von Ameria, darunter dreizehn Grundstücke direkt am Tiber — ein sagenhafter Reichtum! Roscius ist der einzige Sohn, aber er hat noch zwei Vettern, die gewissermaßen die Schurken im Stück sind. Der alte Roscius reiste Anfang des Jahres zu Besuch nach Rom und wurde dort ermordet. Roscius und ich wissen nicht, ob es die Vettern waren. Wahrscheinlich ist es, aber nicht sicher.«
    Messala Niger machte eine Grimasse. »Die Nachricht von der Ermordung des Vaters gelangte jedenfalls durch einen Agenten der Vettern nach Ameria. Besonders verdächtig ist, daß dieser Agent dem armen Roscius, der doch am meisten betroffen war, nichts gesagt hat! Statt dessen benachrichtigte er nur die Vettern, und die heckten einen Plan aus, wie sie sich den gesamten Besitz meines Freundes unter den Nagel reißen konnten.«
    »Ich glaube, ich beginne zu begreifen.« Ciceros Verstand war scharf wie ein Rasiermesser, sobald von verbrecherischer Niedertracht die Rede war.
    »In Volaterrae war gerade der Aufstand ausgebrochen, und Sulla leitete die Belagerung zunächst persönlich. Chrysogonus begleitete ihn.«
    Wer Chrysogonus war, brauchte Cicero nicht gesagt zu werden. Der intrigante, mit den Listen, Büchern und Einzelheiten von Sullas Proskriptionen befaßte Verwalter war in ganz Rom berüchtigt.
    »Die Vettern ritten nach Volaterrae, und es gelang ihnen, mit Chrysogonus zu sprechen. Chrysogonus war zu einem Handel bereit — allerdings zu einem hohen Preis. Er wollte den Ermordeten nachträglich auf eine alte Proskriptionsliste setzen und behaupten, er habe zufällig von dem Mord gelesen und sich erinnert, daß das Opfer geächtet gewesen sei. Soviel sickerte durch. Was anschließend geschah: Chrysogonus gab die Besitzungen von Roscius’ Vater — sie waren runde sechs Millionen wert — sofort zur Versteigerung frei und kaufte sie selbst — für ganze zweitausend.«
    »Ein tolles Stück!« rief Cicero, der den Bericht aufmerksam verfolgt hatte.
    »Findest du? Ich verabscheue den Mann!«
    »Ja, natürlich. Du hast recht! Aber was geschah dann?«
    »All das geschah, während Roscius noch nicht einmal wußte, daß sein Vater ermordet worden war. Er erfuhr erst davon, als der erste seiner Vettern mit einem Vollstreckungsbefehl von Chrysogonus auftauchte und ihn vom väterlichen Besitz jagte. Chrysogonus behielt zehn der dreizehn Grundstücke für sich und setzte besagten Vetter zu seinem ständigen Verwalter und Vertreter ein. Die drei anderen Grundstücke überschrieb er dem zweiten Vetter als Entschädigung. Und der arme Roscius mußte gleich mit zwei schweren Schlägen fertigwerden: mit der angeblichen Ächtung seines Vaters vor Monaten und mit seiner Ermordung.«
    »Hat er das Lügengespinst etwa geglaubt?«
    »Ja. Warum auch nicht? Jeder, der zwei Sesterzen in der Tasche hatte, mußte doch damit rechnen, seinen Namen auf einer der Listen zu finden — ob in Rom oder Ameria. Roscius hat den Lügen geglaubt! Und ist gegangen.«
    »Und wer hat gemerkt, daß etwas faul war?«
    »Die Stadtältesten«, sagte Messala Niger. »Ein Sohn ist sich doch nie ganz sicher, wie integer sein Vater wirklich ist.

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