MoR 03 - Günstlinge der Götter
aufzulösen begann, erhob Sulla sich von seinem Amtsstuhl und schritt auf Cicero zu. »Sehr gut, junger Freund«, sagte er und reichte ihm die Hand. »Du hättest ein hervorragender Schauspieler werden können!«
Cicero, der auf Wolken des Glücks schwebte, drückte Sulla lachend die Hand. »Du meinst, ich bin ein hervorragender Schauspieler! Denn die hohe Kunst des Anwalts besteht doch genau darin, die eigenen Worte durch Gestik und Mimik zu verkörpern.«
»Du wirst eine glänzende Karriere an meinen Gerichtshöfen machen.«
»Solange du mir die Freiheiten verzeihst, die ich mir in diesem Fall herausnehmen mußte.«
»Die verzeihe ich dir gerne!« sagte Sulla unbekümmert. »Ich glaube, ich kann fast alles verzeihen, wenn ich dafür ein gutes Stück zu sehen bekomme. Und ich habe, von einer Ausnahme abgesehen, niemals eine bessere Laienaufführung gesehen, mein lieber Cicero. Im übrigen überlege ich schon seit einiger Zeit, wie ich Chrysogonus loswerden kann — ich bin schließlich nicht völlig blind. Aber das ist eine heikle Sache.« Der Diktator sah sich um. »Wo ist Sextus Roscius?«
Sextus Roscius wurde herbeigeholt.
»Sextus Roscius, du erhältst deine Besitzungen zurück und bist wie dein Vater rehabilitiert«, sagte Sulla. »Ich bedaure, daß du unter der Korruption und Käuflichkeit eines Mannes, dem ich vertraut habe, so sehr zu leiden hattest. Er wird dafür bezahlen.«
»Dank meines ausgezeichneten Anwalts ist die Sache immerhin gut ausgegangen, Lucius Cornelius«, antwortete Sextus Roscius, der mitgenommen aussah.
»Aber das Nachspiel steht noch aus«, sagte der Diktator. Er nickte seinen Liktoren zu und verschwand in Richtung der Treppe, die zum Palatin hinaufführte.
Am nächsten Tag wurde Lucius Cornelius Chrysogonus, römischer Bürger der Tribus Cornelia, kopfüber den Tarpeischen Felsen hinuntergestürzt.
»Du kannst von Glück reden, daß du so bestraft wirst«, hatte Sulla noch zu ihm gesagt. »Ich hätte dir auch die römische Staatsbürgerschaft nehmen und dich auspeitschen und kreuzigen lassen können. Du stirbst einen römischen Tod, weil du dich in schweren Zeiten so gut um meine Frauen gekümmert hast. Mehr kann ich für dich nicht tun. Ich habe dich damals in meine Dienste genommen, weil ich wußte, daß du ein Schurke bist. Ich habe allerdings nicht vorausgesehen, daß ich zu beschäftigt sein würde, um dich im Auge zu behalten. Aber früher oder später kommt alles ans Licht. Auf Wiedersehen, Chrysogonus.«
Die beiden Vettern Capito und Magnus verschwanden aus Ameria, bevor sie gefaßt und vor Gericht gestellt werden konnten. Man hörte nie wieder von ihnen. Cicero war über Nacht zu einem berühmten Mann und Helden geworden. Kein anderer hatte es gewagt, an den Proskriptionen zu rütteln, und diesen gefährlichen Kampf gewonnen.
Nachdem Gaius Julius Caesar vom Amt des Jupiterpriesters befreit und zum Militärdienst unter Marcus Minucius Thermus, dem Statthalter der Provinz Asia, eingeteilt worden war, machte er sich knapp einen Monat vor seinem neunzehnten Geburtstag mit seinen beiden neuen Dienern und dem germanischen Freigelassenen Gaius Julius Burgundus nach Osten auf. Während die meisten Reisenden auf dem Seeweg nach Asia gelangten, hatte sich Caesar für den Landweg entschieden. Von Apollonia in Westmazedonien nach Kallipolis am Hellespont waren es auf der Via Egnatia rund achthundert Meilen. Angesichts des schönen Sommers war es eine angenehme Reise, auch wenn die Wirtshäuser und Herbergen unterwegs nicht so häufig waren wie in Italien. Wer auf dem Landweg nach Asia reiste, mußte im Zelt übernachten.
Da ein Jupiterpriester nicht reisen durfte, hatte Caesar bisher nur in der Phantasie verreisen können. Er hatte alle Bücher verschlungen, die im Ausland geschrieben worden waren, und sich dann vorgestellt, wie es in dem betreffenden Land aussehen mochte. Jetzt erlebte er, um wieviel schöner die Wirklichkeit im Vergleich mit der bloßen Vorstellung war! Sogar der wortgewandte Caesar war sprachlos, er, der geborene Reisende, der abenteuerlustig und neugierig war und beseelt vom unersättlichen Drang, alles Fremde zu erkunden. Unterwegs sprach er mit allen, vom Schafhirten über den Händler bis zum Söldner im Dienst eines lokalen Stammesfürsten. Er sprach ein vornehmes attisches Griechisch, aber auch die vielen exotischen Sprachen, die er in seiner Kindheit im von einem polyglotten Gemisch von Mietern bewohnten Mietshaus seiner Mutter aufgeschnappt hatte,
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