MoR 03 - Günstlinge der Götter
Mithridates gewonnen hatte, und erkundeten die Pfade, die es Cato dem Zensor ermöglicht hatten, den Feind bei den Thermopylen zu umzingeln — und dem Feind, die letzte Stellung des Leonidas zu überfallen.
»Fremder, geh und sage den Spartanern, daß wir hier liegen und ihrem Befehl folgen«, las Caesar auf dem Stein, der an dieses letzte tapfere Gefecht erinnerte. Er wandte sich an Atticus. »Alle Welt kann diese Inschrift zitieren, aber hier hat sie einen ganz anderen Klang, als wenn man sie von einem Blatt Papier abliest.«
»Wärst du zufrieden, wenn man sich deiner so erinnerte, Caesar?«
Das längliche, hübsche Gesicht wirkte verschlossen. »Niemals! Es war eine dumme und sinnlose Geste, eine Verschwendung tapferer Männer. Man wird sich an mich erinnern, Atticus, aber nicht wegen meiner Dummheit oder meiner sinnlosen Gesten. Leonidas war ein spartanischer König. Ich bin ein Patrizier der Römischen Republik. Der einzig wahre Sinn seines Lebens war die Art und Weise, wie er es wegwarf. Der Sinn meines Lebens werden die Taten sein, die ich als Lebender vollbringe. Wie ich sterbe, spielt keine Rolle, vorausgesetzt, ich sterbe wie ein Römer.«
»Ich glaube dir.«
Da Caesar ein geborener Gelehrter und sehr gebildet war, hatte er vieles mit Atticus gemein, der einen erlesenen Geschmack hatte. Was Literatur und Kunst betraf, waren ihre Geschmäcker ähnlich, und sie grübelten stundenlang über ein Stück von Menander oder eine Statue von Phidias nach.
»Es gibt nicht mehr viele gute Bilder in Griechenland«, sagte Atticus und schüttelte traurig den Kopf. »Was Mummius nach der Plünderung Korinths nicht mit nach Rom genommen hat — von Aemilius Paullus nach der Schlacht von Pydna ganz zu schweigen —, ist in den Jahrzehnten danach verschwunden. Wenn du die besten Bilder der Welt sehen willst, Caesar, mußt du in das Haus des Marcus Livius Drusus in Rom gehen.«
»Ich glaube, es gehört jetzt Crassus.«
Atticus verzog das Gesicht. Er mochte Crassus nicht, obwohl sie gemeinsam spekuliert hatten. »Wahrscheinlich hat er die Bilder irgendwo im Keller verstaut, wo sie so lange verstauben werden, bis jemand ihm einen Wink gibt, daß sie mehr wert sind als wohlerzogene Sklaven auf dem Markt oder billig aufgekaufte Mietshäuser.«
Caesar grinste. »Tja, Atticus, mein Freund, es können nicht alle kultiviert und gebildet sein. Es muß auch Platz für einen Crassus geben.«
»Nicht in meinem Haus!«
»Du bist nicht verheiratet«, sagte Caesar gegen Ende seines Aufenthalts in Athen. Er machte sich so seine Gedanken, warum Atticus bislang den Verwicklungen einer Ehe aus dem Weg gegangen war. Dennoch war seine Feststellung nicht beleidigend, weil er keine aufschlußreiche Antwort erwartete.
Atticus’ längliches, asketisches und recht strenges Gesicht verriet eine gewisse Entrüstung. »Nein, Caesar. Und ich habe auch nicht vor zu heiraten.«
»Ich dagegen bin seit meinem dreizehnten Lebensjahr verheiratet. Mit einem Mädchen, das noch immer nicht alt genug ist, um mit mir zu schlafen. Das ist ein seltsames Schicksal.«
»Seltsamer als die meisten Schicksale. Cinnas jüngere Tochter. Von der du dich nicht scheiden lassen willst, nicht einmal für Jupiter Optimus Maximus.«
»Nicht einmal für Sulla, meinst du wohl«, sagte Caesar lachend. »Ich hatte großes Glück. Ich befreite mich aus Gaius Marius’ Netz — mit Sullas tatkräftiger Unterstützung! — und war nicht länger Jupiterpriester.«
»Wo wir gerade von Heirat sprechen, kennst du Marcus Tullius Cicero?« fragte Atticus.
»Nein. Aber ich habe natürlich von ihm gehört.«
»Ihr müßtet eigentlich gut miteinander auskommen, aber vermutlich ginge es nicht«, meinte Atticus nachdenklich. »Was seine geistigen Fähigkeiten angeht, ist Cicero sehr empfindlich, und er hat nicht gern Konkurrenz. Vielleicht bist du ihm sogar geistig überlegen.«
»Was hat das mit Heirat zu tun?«
»Ich habe gerade eine Frau für ihn gefunden.«
»Wie schön«, sagte Caesar gleichgültig.
»Terentia. Varro Lucullus’ Adoptivschwester.«
»Eine furchtbare Frau, wie ich hörte.«
»Ja, aber gesellschaftlich besser gestellt, als er erwarten durfte.«
Caesar kam zu dem Schluß, daß es Zeit war zu gehen, da sein Gastgeber sich nur noch auf planlose Konversation beschränkte. Der Gast wußte, wessen Schuld das war. So wie er diesen römischen Plutokraten in seinem selbst auferlegten Exil verstand, hatte Atticus eine Vorliebe für kleine Jungen. Deshalb war der
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