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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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normalerweise recht kontaktfreudige Caesar ziemlich zurückhaltend.
    Schade. Sonst hätte sich aus dieser ersten Begegnung eine tiefe und dauerhafte Freundschaft entwickeln können.
    Von Athen aus nahm Caesar die von den Römern angelegte Heeresstraße nördlich von Attika durch Böotien, Thessalien und das Tempe-Tal; mit einem flüchtigen Gruß hinauf zu Zeus ging es in unbarmherzigem Tempo an dem fernen Gipfel des Olymp vorbei. Von Dium aus fuhr die kleine Gruppe mit dem Schiff von Insel zu Insel, bis sie den Hellespont erreichte. Die Reise von dort nach Nikomedeia dauerte drei Tage.
    Im Palast von Nikomedeia wurde Caesar überschwenglich begrüßt. Der alte König und die Königin hatten die Hoffnung schon aufgegeben, ihn jemals wiederzusehen, vor allem, nachdem aus Mytilene die Nachricht eingetroffen war, daß Caesar zusammen mit Thermus und Lucullus nach Rom zurückgekehrt sei. Es blieb jedoch Sulla, dem Hund, überlassen, das ganze Ausmaß der Freude über Caesars Ankunft auszudrücken. Das Tier rannte jaulend und bellend im Palast herum, sprang an Caesar hoch, lief zu König und Königin, als wolle er ihnen sagen, wer da war, und wieder zurück zu Caesar; neben den Possen des Hundes verblaßten die königlichen Umarmungen und Küsse.
    »Es ist beinah, als ob er spricht«, sagte Caesar und ließ sich in einen Sessel fallen. Der Hund setzte sich zu seinen Füßen und stieß ein paar erstickte Laute aus. Caesar beugte sich zu ihm hinab und kraulte ihm den Bauch. »Sulla, alter Junge, ich hätte nie gedacht, daß ich mich so freuen würde, dein häßliches Gesicht zu sehen!«

    Seine eigenen Eltern, überlegte Caesar später am Abend, nachdem er sich in sein Zimmer zurückgezogen hatte und unbekleidet auf dem Bett lag, hatten sich immer ziemlich distanziert verhalten. Der Vater war selten zu Hause gewesen, und wenn er zu Hause war, schien er mehr daran interessiert zu sein, mit seiner Frau zu streiten, als eine persönliche Beziehung zu seinen Kindern aufzubauen. Und die Mutter war stets gerecht, schonungslos kritisch und unfähig, Gefühle zu zeigen. Vielleicht, dachte Caesar aus seinem gegenwärtigen Blickwinkel heraus, war das ein wesentlicher Grund für die unerklärliche, aber eindeutig ablehnende Haltung des Vaters gegenüber der Mutter — ihre mangelnde Zärtlichkeit, ihre Unnahbarkeit. Was der junge Mann natürlich nicht wissen konnte, war, daß die eigentliche Ursache für die Unzufriedenheit seines Vaters die vorbehaltlose Liebe seiner Frau zu ihrer Tätigkeit als Grundbesitzerin gewesen war — eine Arbeit, die er als unter ihrer Würde betrachtete. Da Caesar und seine Schwestern die Grundbesitzerin Aurelia nie kennengelernt hatten, konnten sie sich nicht vorstellen, wie ihren Vater dieser Zug an ihr geärgert hatte. Statt dessen hatten sie das Verhalten ihres Vaters mit ihrem eigenen Hunger nach Zärtlichkeit gleichgesetzt; sie konnten ja nicht wissen, wie angenehm die Nächte waren, die ihre Eltern miteinander verbrachten. Als die schreckliche Nachricht vom Tod des Vaters eingetroffen war — übermittelt durch den Überbringer seiner Asche —, hatte Caesar seine Mutter sofort in den Arm genommen, um sie zu trösten. Sie aber hatte sich losgerissen und ihn mit knappen Worten ermahnt, daran zu denken, wer er war. Es hatte weh getan, bis die Distanz, die er von ihr geerbt hatte, sich durchsetzte, und ihm klar wurde, daß er von ihr kein anderes Verhalten erwarten konnte.
    Vielleicht, dachte Caesar jetzt, war das nichts weiter als ein Zeichen für etwas, das er überall festgestellt hatte — daß Kinder von ihren Eltern stets etwas verlangten, das die Eltern ihnen nicht geben wollten oder nicht geben konnten. Seine Mutter war eine unbezahlbare Perle, das wußte er. Und er wußte auch, wie sehr er sie liebte und wie viel er ihr verdankte, weil sie ihn ständig darauf aufmerksam machte, wo seine Schwächen lagen — ganz zu schweigen von manch wunderbar weltlichem und unmütterlichem Rat.
    Und doch. .. Wie schön war es, mit Umarmungen und Küssen und bedingungsloser Liebe begrüßt zu werden, wie Nikomedes und Oradaltis ihn heute begrüßt hatten. Er ging allerdings nicht so weit, sich zu wünschen, seine Eltern wären mehr wie sie gewesen; er wünschte sich nur, sie wären seine Eltern gewesen.
    Diese Stimmung hielt an, bis er am nächsten Morgen mit ihnen aß und das Licht des Tages die Absurdität seines Wunsches offenbarte. Während Caesar so dasaß und König Nikomedes betrachtete, überlagerte

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