MoR 03 - Günstlinge der Götter
ihm dieses Privileg verweigert wurde, durchstöberte er sogleich Philodamus’ geräumiges Haus. Da seine Suche erfolglos blieb, beorderte Rubrius Philodamus in dessen eigenem Haus wie einen Diener zu sich.
»Du wirst Gaius Verres heute nachmittag zum Essen einladen - und serviere etwas anderes als immer nur Fisch! Fisch ist ja schön und gut, aber man kann nicht davon leben. Ich will Lamm, Huhn und anderes Geflügel, eine Menge Eier und den besten Wein.«
Philodamus beherrschte sich. »Aber es war nicht leicht«, sagte er anschließend zu seinem Sohn.
»Sie sind hinter Stratonike her«, meinte Artemidorus wütend.
»Das glaube ich auch, aber sie haben mir diesen Rubrius so schnell aufgehalst, daß ich keine Gelegenheit hatte, sie aus dem Haus zu bringen. Und jetzt geht es nicht mehr. Vor und hinter dem Haus schleichen Römer herum.«
Artemidorus wollte bei dem Festessen für Verres dabeisein, aber als Philodamus in das zornige Gesicht seines Sohnes blickte, begriff er, daß dessen Gegenwart die Situation nur noch verschlimmern würde. Nach langem Hin und Her war der junge Mann schließlich bereit, woanders zu essen. Was Stratonike anging, war es das beste, sie zusammen mit zwei kräftigen Dienern in ihrem Zimmer einzusperren.
Gaius Verres kam in Begleitung seiner sechs Liktoren, die sich vor dem Haus postierten, während eine Abteilung berittener Soldaten den Hintereingang bewachte. Kaum hatte es sich der römische Gesandte auf seinem Liegesofa bequem gemacht, da verlangte er, daß Philodamus seine Tochter hole.
»Das kann ich nicht tun, Gaius Verres«, erklärte der Alte. »Dies ist eine phokäische Stadt, und das bedeutet, daß unsere Frauen niemals mit Fremden in einem Raum sind.«
»Ich verlange ja nicht, daß sie mit uns ißt, Philodamus«, sagte Verres geduldig. »Ich möchte nur dieses Muster an Tugend sehen, von dem die ganze Stadt spricht.«
»Ich weiß nicht, weshalb man von ihr sprechen sollte, wo sie doch noch niemand gesehen hat«, meinte Philodamus.
»Zweifellos plaudern deine Diener so manches aus. Hol sie her, alter Mann!«
»Ich kann nicht, Gaius Verres.«
Es waren noch fünf andere Gäste anwesend — Rubrius und vier weitere Beamte. Kaum hatte Philodamus sich geweigert, seine Tochter zu holen, da riefen alle, sie wollten sie sehen. Und je beharrlicher Philodamus sich weigerte, desto lauter schrien sie.
Als der erste Gang serviert wurde, nutzte Philodamus die Gelegenheit und verließ den Raum. Er schickte einen seiner Diener zu dem Haus, wo Artemidorus aß, um ihn zu bitten, nach Hause zu kommen und seinem Vater beizustehen. Kaum war der Diener fort, ging Philodamus wieder in das Speisezimmer und weigerte sich weiterhin hartnäckig, den Römern seine Tochter zu zeigen. Rubrius und zwei seiner Begleiter erhoben sich, um das Mädchen zu suchen. Philodamus stellte sich ihnen in den Weg. Auf einem Rost neben der Tür stand ein Krug mit kochendheißem Wasser, das in Schüsseln gegossen wurde, in denen wiederum kleinere Schüsseln mit Essen aufgewärmt wurden, die aus der Küche kamen. Rubrius griff nach dem Krug und schüttete Philodamus heißes Wasser über den Kopf. Während die Diener entsetzt die Flucht ergriffen, vermischten sich die Schreie des alten Mannes mit den Rufen und dem Hohngelächter der Römer, die sich formierten, um Stratonike zu suchen.
Das Chaos war perfekt, als Artemidorus und zwanzig seiner Freunde vor dem Haus seines Vaters eintrafen, wo Verres’ Liktoren ihnen den Weg versperrten. Der Anführer der Liktoren, ein gewisser Cornelius, vertraute auf seine eigene Unverletzlichkeit und dachte nicht einen Moment daran, daß Artemidorus und seine Freunde sich gewaltsam Zutritt zu dem Haus verschaffen würden. Was vielleicht auch nicht der Fall gewesen wäre, hätte Artemidorus nicht die furchtbaren Schreie seines verbrühten Vaters vernommen. Die Lampsaker rückten gnadenlos vor. Während einige Liktoren sich nur leichtere Verletzungen zuzogen, brach Cornelius sich das Genick.
Als Artemidorus und seine Freunde mit Knüppeln in den Händen und mit mordgierigen Blicken in das Speisezimmer stürmten, liefen die Teilnehmer des Banketts vor Schreck auseinander. Aber Gaius Verres war kein Feigling. Er stieß die Eindringlinge verächtlich zur Seite und verließ mit Rubrius und den anderen Beamten das Haus. Vor dem Eingang lag ausgestreckt der tote Liktor, umgeben von seinen fünf erschrockenen Kollegen. Der Gesandte trieb sie, mit dem Leichnam des Cornelius in ihrer Mitte, die
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