MoR 03 - Günstlinge der Götter
hübschen handlichen Barren ein.
Schließlich gelangten sie nach Tarsus. Dolabella war froh, sich in seinem Palast einrichten zu können, und Verres freute sich über eine eigene Villa, wo er sich an den Schätzen, die er angehäuft hatte, ergötzen konnte. Er wußte die Kunstwerke wirklich zu schätzen und hatte nicht die Absicht, auch nur eines davon zu verkaufen. Nur die Besessenheit und Amoralität des fanatischen Sammlers nahm bei Gaius Verres ein bis dato unbekanntes Ausmaß an.
Auch Gaius Publicius Malleolus freute sich über ein hübsches Haus am Ufer des Cydnus. Er packte sein Gold- und Silberbesteck und seine Geldsäcke aus, denn er wollte seinen Reichtum vermehren, indem er denjenigen, die sich von anderer Seite nichts borgen konnten, zu einem übertriebenen Zinssatz Geld lieh. Er fand Verres ungeheuer sympathisch und hilfsbereit.
Inzwischen war Dolabella in eine Trägheit befriedigter Wollust verfallen, sein Verstand war ständig durch den Giftstoff der Spanischen Fliege und andere Aphrodisiaka getrübt, die Verres ihm beschaffte, und er überließ die Verwaltung der Provinz seinem obersten Legaten und seinem Quästor. Verres war vernünftig genug, die Kunstwerke von Tarsus in Ruhe zu lassen; statt dessen sann er auf Rache. Es war Zeit, sich mit Malleolus zu befassen.
Er schnitt ein Thema an, das allen Römern sehr am Herzen lag - die Abfassung eines Testaments.
»Kurz vor meiner Abreise habe ich bei den Vestalinnen ein neues hinterlegt«, sagte Verres. Das Licht der Kerzen verlieh seinem welligen Haar einen goldenen Schimmer und machte ihn besonders anziehend. »Ich nehme an, du hast dasselbe getan, Malleolus?«
»Nein«, antwortete dieser verwirrt. »Ich muß gestehen, daß ich daran noch nie gedacht habe.«
»Mein lieber Freund, das ist Wahnsinn!« rief Verres. »In der Fremde kann einem alles mögliche passieren — Piraten, Krankheiten, Schiffbruch. Denk nur an Servilius Caepio, der vor fünfundzwanzig Jahren auf der Heimfahrt ertrunken ist. Er war Quästor wie du!« Verres goß noch mehr Dessertwein in Malleolus’ vergoldeten Becher. »Du mußt ein Testament machen!«
Während Malleolus immer mehr trank, tat Verres nur so. Als der oberste Legat merkte, daß Dolabellas törichter Quästor zu benebelt war, um zu verstehen, was er unterzeichnete, verlangte Verres Papier und Feder, schrieb auf, was Gaius Publicius Malleolus ihm diktierte, und half ihm, das Dokument zu unterschreiben und zu versiegeln. Das Testament wurde in ein Fach von Malleolus’ Schreibtisch gelegt und von seinem Verfasser prompt vergessen. Knapp vier Tage später starb Malleolus an einer unbekannten Krankheit, welche die Ärzte aus Tarsus schließlich als Lebensmittelvergiftung deklarierten. Gaius Verres legte das Testament vor und war erstaunt und entzückt, daß sein Freund, der Quästor, ihm seinen gesamten Besitz vermacht hatte, einschließlich des Familiensilbers.
»Furchtbare Sache«, sagte er traurig zu Dolabella. »Eine hübsche Erbschaft, aber es wäre mir lieber, der arme Malleolus weilte noch unter uns.«
Obwohl Dolabellas Verstand durch die Drogen benebelt war, spürte er die Scheinheiligkeit in Verres’ Worten. Er beschränkte sich jedoch auf die Frage, wie er so schnell aus Rom einen neuen Quästor bekommen sollte.
»Keine Sorge«, meinte Verres vergnügt. »Ich war Carbos Quästor und gut genug, um zu seinem Proquästor ernannt zu werden, als er als Statthalter ins italische Gallien ging. Mache mich zum Proquästor.«
Und so gingen die Angelegenheiten Cilicias — ganz zu schweigen von der Staatskasse — in Gaius Verres’ Hände über.
Den ganzen Sommer hindurch arbeitete Verres emsig, aber nicht zum Wohle Cilicias, sondern zu seinem eigenen Vorteil; vor allem der Geldverleih, den er von Malleolus übernommen hatte, florierte. Nur die Kunstsammlung blieb konstant. An diesem Punkt seiner Karriere war selbst Verres nicht selbstsicher genug, um das eigene Nest zu beschmutzen, indem er aus Städten und Tempeln in Cilicia Kunstwerke raubte. Und er konnte auch nicht wieder anfangen, die Provinz Asia zu plündern — zumindest solange nicht, wie Claudius Nero dort Statthalter war. Denn von der Insel Samos war eine Abordnung nach Pergamon gekommen, um sich bei Claudius Nero über die Plünderung des Heiligtums der Göttin Hera zu beschweren. Dieser hatte mit Bedauern erklärt, es stünde nicht in seiner Macht, den Legaten eines anderen Statthalters zu bestrafen oder zur Ordnung zu rufen, und die Bewohner von
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