MoR 03 - Günstlinge der Götter
Samos sollten sich mit ihrer Beschwerde an den Senat von Rom wenden.
Ende September hatte Verres eine Idee, und er verlor keine Zeit, sie in die Tat umzusetzen. In Bithynien und Thrakien gab es Schätze im Überfluß. Weshalb also sollte er seine Kunstsammlung nicht auf Kosten Bithyniens und Thrakiens vergrößern? Er überredete Dolabella, ihn zum Sonderbotschafter zu ernennen und mit Empfehlungsschreiben zu König Nikomedes von Bithynien und dem Thrakerkönig Sadala zu schicken. Anfang Oktober brach Verres, von Attaleia zum Hellespont auf. Er machte um die Provinz Asia einen Bogen und hoffte, daß er unterwegs, wenn auch keine reizvollen Kunstwerke, so doch etwas Gold aus den Tempeln entlang des Weges ergattern konnte.
Die Delegation bestand nur aus Schurken, denn Verres wollte keine rechtschaffenen, aufrichtigen Männer dabei haben. Sogar die sechs Liktoren, auf die er als Botschafter mit dem Rang eines Proprätors Anspruch hatte, wählte er mit großer Sorgfalt aus, um sicherzustellen, daß sie ihn bei seinen schändlichen Unternehmen unterstützten. Sein wichtigster Gehilfe war ein hoher Beamter aus Dolabellas Stab, ein gewisser Marcus Rubrius. Verres und Rubrius hatten schon oft zusammengearbeitet; unter anderem hatten sie Dolabella schmutzige, übelriechende Frauen besorgt. Unter seinen Sklaven waren große, kräftige Männer, die schwere Statuen schleppen konnten, und kleine, die sich durch enge Öffnungen zwängen konnten, und seine Schreiber waren nur dazu da, um das, was er entwendete, zu katalogisieren.
Die Reise über Land verlief enttäuschend, da Pisidia und der Teil Phrygias, den er durchquerte, von den Feldherren des Mithridates vor neun Jahren völlig geplündert worden waren. Verres überlegte, ob er auf dem Sagaris weiterfahren sollte, um zu sehen, was er in Pessinus stehlen konnte, aber schließlich entschied er, sich geradewegs nach Lampsakos am Hellespont zu begeben. Dort konnte er ein Kriegsschiff der Provinz Asia als Geleitschutz requirieren, an der bithynischen Küste entlangsegeln und alles, was er fand und was ihm gefiel, auf einem stabilen Frachter verstauen.
Der Hellespont war ein Stück Niemandsland. Genaugenommen gehörte er zur Provinz Asia, aber auf der Landseite wurde er von den Bergen Mysias begrenzt, und er war mehr mit Bithynien als mit Pergamon verbunden. Lampsakos war der wichtigste Hafen auf der asiatischen Seite der Meerenge und lag fast gegenüber dem thrakischen Kallipolis. Hier gingen die verschiedenen Armeen, die den Hellespont überquerten, an Land. Lampsakos war eine große, belebte Stadt, deren wirtschaftlicher Wohlstand in hohem Maße auf der Menge und Qualität des im Hinterland erzeugten Weines beruhte.
Obwohl Lampsakos formal der Aufsicht des Statthalters der Provinz Asia unterstand, hatte es sich lange seine Unabhängigkeit bewahrt, und Rom gab sich mit einem Tribut zufrieden. Wie in allen wohlhabenden Städten an der Mittelmeerküste hatten sich auch hier römische Kaufleute niedergelassen, aber die Verwaltung und der größte Teil des Vermögens lagen in den Händen der phokäischen Griechen, die nicht das römische Bürgerrecht besaßen; sie waren nur socii, Verbündete.
Verres hatte über jeden Ort entlang seiner Route Erkundigungen eingezogen, und als seine Delegation in Lampsakos eintraf, wußte er über den Status der Stadt und ihrer einflußreichen Bürger Bescheid. Die römische Kavalkade, die von den Hügeln in die Hafenstadt herabgeritten kam, verursachte einen panikartigen Aufruhr. Sechs Liktoren ritten der bedeutenden römischen Persönlichkeit voran, und dahinter folgten zwanzig Diener und eine Truppe von hundert cilicischen Reitern. Die Ankunft der Delegation kam völlig unerwartet; niemand wußte, was sie in Lampsakos wollte.
Ein gewisser Ianitor war in diesem Jahr oberster Ethnarch. Auf die Nachricht hin, daß eine römische Delegation ihn in der Agora erwarte, begab er sich mit einigen anderen Ältesten der Stadt eilends dorthin.
»Ich weiß nicht genau, wie lange ich bleiben werde«, sagte Gaius Verres, »aber ich brauche eine passende Unterkunft für mich und meine Leute.« Er wirkte stattlich und gebieterisch, aber kein bißchen arrogant.
Es sei unmöglich, erklärte Ianitor zögernd, ein Haus zu finden, das groß genug sei, um allen Platz zu bieten. Aber natürlich werde er den Gesandten mit seinen Liktoren und Dienern in seinem Hause unterbringen, und der Rest werde auf andere Haushalte verteilt. Dann stellte Ianitor die übrigen
Weitere Kostenlose Bücher