MoR 03 - Günstlinge der Götter
Getreidehändler verlangten. Vermutlich hat unser verstorbener, allseits betrauerter Diktator einfach nicht an die Folgen gedacht. Denn was ist passiert? Die privaten Getreidehändler haben ihre Preise erhöht, weil es keine staatliche Regelung gibt, die sie zwingt, ihre Preise niedrig zu halten. Welcher Geschäftsmann kann schließlich der Aussicht auf höhere Profite widerstehen? Bestimmen etwa Freundlichkeit und Menschlichkeit sein Handeln? Natürlich nicht! Er ist Geschäftsmann, um für sich und seine Anteilseigner Profit zu machen, und meistens ist er zu kurzsichtig, um zu erkennen, daß, wenn er den Preis für sein Produkt über Gebühr erhöht, er damit die Basis für seinen Profit untergräbt.
Deshalb bitte ich die Mitglieder dieses Hauses, meiner lex Aemilia Lepida frumentaria offiziell ihre Zustimmung zu geben und es mir zu ermöglichen, sie der Volksversammlung zur Ratifizierung vorzulegen. Ich werde zu unserer alten, bewährten Methode zurückkehren, wonach der Staat dem Volk Getreide zum festgesetzten Preis von zehn Sesterzen pro Scheffel anbietet. Selbst in Zeiten des Überflusses kann der Staat mit diesem Preis immer noch guten Profit machen, und wenn die fetten Jahre überwiegen, wird der Staat auf lange Sicht keine finanzielle Not leiden.«
Wieder sprach sich Catulus dagegen aus. Aber diesmal erhielt er kaum Unterstützung. Sowohl Cethegus als auch Philippus waren eindeutig für Lepidus’ Maßnahme, und sie wurde noch während der Sitzung vom Senat gebilligt. Lepidus konnte sein Gesetz in der Volksversammlung verkünden. Sein Ruhm wuchs, und als er in der Öffentlichkeit erschien, jubelte man ihm zu.
Aber mit seiner lex agraria bezüglich der beschlagnahmten Ländereien war es etwas anderes. Obwohl er das Gesetz bei jeder Senatssitzung zur Abstimmung vorlegte, erhielt es nicht genügend Stimmen für einen Senatsbeschluß — das bedeutete, daß er es gemäß Sullas Verfassung keiner Versammlung vorlegen konnte. »Aber ich gebe nicht auf«, sagte er beim Essen zu Brutus. Er aß jetzt regelmäßig bei Brutus, denn die Leere in seinem eigenen Haus war für ihn unerträglich. Als die Proskriptionen begonnen hatten, hatte er, wie die meisten Angehörigen der Oberschicht, Angst gehabt, er könne geächtet werden. Während des Konsulats von Marius, Cinna und Carbo war er in Rom geblieben — und er war mit der Tochter des Saturninus verheiratet, der einmal versucht hatte, sich zum König von Rom zu machen. Appuleia selbst hatte den Vorschlag gemacht, er solle sich schnellstens von ihr scheiden lassen. Sie hatten drei Söhne, und es war ungeheuer wichtig, daß das Vermögen der Familie für die beiden jüngeren erhalten blieb. Der älteste Sohn war in die Familie des Cornelius Scipio aufgenommen worden, die eng mit Sulla verwandt war und zu Sullas Lager gehörte. Scipio Aemilianus — benannt nach seinem berühmten Vorfahr — war bereits erwachsen, als Appuleia die Scheidung vorschlug, und der zweite Sohn, Lucius, war achtzehn. Der jüngste, Marcus, war erst neun. Obwohl Lepidus Appuleia von Herzen liebte, hatte er sich um ihrer Söhne willen von ihr scheiden lassen; später, wenn keine Gefahr mehr bestand, wollte er sie noch einmal heiraten. Aber Appuleia war nicht umsonst die Tochter des Saturninus. In der Überzeugung, ihre Gegenwart werde für ihren Ex-Mann und ihre Söhne stets eine Gefahr darstellen, beging sie Selbstmord. Ihr Tod war ein ungeheurer Schlag für Lepidus, von dem er sich nie richtig erholte. Und sooft er konnte, verbrachte er seine freie Zeit im Haus eines anderen, insbesondere im Haus seines besten Freundes Brutus.
»Genau! Du darfst nicht aufgeben«, sagte Brutus. »Stete Beharrlichkeit wird den Senat zermürben, da bin ich sicher.«
»Du solltest lieber hoffen, daß sich der Widerstand der Senatoren rasch legt«, meinte die Dritte im Bunde, die auf einem Stuhl gegenüber dem Speisesofa saß.
Beide Männer warfen Brutus’ Frau Servilia einen besorgten, aber respektvollen Blick zu; es lohnte sich immer, zu hören, was Servilia zu sagen hatte.
»Was genau meinst du?« fragte Lepidus.
»Ich meine damit, daß Catulus sich zum Krieg rüstet.«
»Woher weißt du das?« fragte Brutus.
»Ich habe die Ohren gespitzt«, sagte sie, ohne eine Miene zu verziehen. Dann lächelte sie geheimnisvoll. »Ich habe heute morgen Hortensia besucht. Sie ist nicht umsonst die Schwester unseres bedeutendsten Anwalts — und wie er redet sie gern. Catulus verehrt sie, und er erzählt ihr viel. Und
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