MoR 03 - Günstlinge der Götter
sie erzählt es jedem weiter, der es versteht, sie auszuhorchen.«
»Und du besitzt natürlich diese Gabe«, sagte Lepidus.
»Gewiß. Aber was noch wichtiger ist, ich bin daran interessiert, sie auszuhorchen. Die meisten ihrer weiblichen Besucher interessieren sich nur für Klatsch und Frauenprobleme, während Hortensia viel lieber über Politik reden würde. Also habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, sie oft aufzusuchen.«
»Erzähl uns mehr, Servilia«, sagte Lepidus, der nicht begriff, was sie sagte. »Für welchen Krieg rüstet sich Catulus? Im diesseitigen Spanien? Er geht nächstes Jahr als Statthalter dorthin, mit einer neuen Armee. Deshalb ist es vermutlich nicht abwegig, daß er sich zum Krieg rüstet, wie du dich ausgedrückt hast.«
»Dieser Krieg hat nichts mit Spanien oder Sertorius zu tun«, sagte Brutus’ Frau. »Catulus spricht von Krieg in Etruria. Laut Hortensia will er den Senat überreden, noch mehr Legionen zu bewaffnen, um die Unruhen dort niederzuschlagen.«
Lepidus richtete sich kerzengerade auf. »Aber das ist Wahnsinn! Es gibt nur eine Möglichkeit, den Frieden in Etruria zu sichern, und zwar muß man den Gemeinden einen Gutteil dessen zurückgeben, was Sulla ihnen weggenommen hat!«
»Stehst du mit einem der örtlichen Führer in Etruria in Verbindung?« fragte Servilia.
»Natürlich.«
»Gehört er zu den extrem Konservativen oder zu den Gemäßigten?«
»Zu den Gemäßigten, nehme ich an, wenn du mit den extrem Konservativen die Anführer in Städten wie Volaterrae und Faesulae meinst.«
»Die meine ich.«
»Danke für die Information, Servilia. Du kannst sicher sein, daß ich meine Anstrengungen verdoppeln werde, um die Angelegenheit in Etruria zu regeln.«
Obwohl Lepidus seine Anstrengungen verdoppelte, konnte er Catulus nicht daran hindern, den Senat zu ermahnen, die Legionen aufzustellen, die seiner Ansicht nach zur Niederschlagung der drohenden Revolte in Etruria nötig waren. Aber da Servilia ihn rechtzeitig gewarnt hatte, konnte Lepidus bei den niederen Senatoren und bei hochrangigen Hinterbänklern wie Cethegus um Unterstützung werben. Die Reaktion der Senatsmitglieder auf Catulus’ leidenschaftliche Schmährede war daher lau.
»Eigentlich, Quintus Lutatius«, sagte Cethegus zu Catulus, »sind wir eher wegen des mangelnden Einvernehmens zwischen dir und unserem ersten Konsul besorgt als wegen angeblicher Revolten in Etruria. Offenbar sperrst du dich gegen alles, was unser erster Konsul vorschlägt. Ich finde das bedauerlich, vor allem nachdem Lucius Cornelius Sulla sich so große Mühe gegeben hat, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Mitgliedern und Faktionen innerhalb des Senats von Rom zu fördern.«
Zerknirscht zog sich Catulus zurück. Aber nicht für lange. Die Ereignisse schienen ihm recht zu geben und Lepidus jede Chance zu nehmen, für sein Gesetz über die Rückgabe beschlagnahmter Ländereien einen Senatsbeschluß zu erwirken. Denn Ende Juni überfielen die enteigneten Bürger von Faesulae die Soldatensiedlungen in der Umgebung, vertrieben die Veteranen von ihren Parzellen und töteten jeden, der Widerstand leistete.
Der Tod mehrerer hundert loyaler sullanischer Legionäre konnte nicht ignoriert werden, und die offene Rebellion der Bürger von Faesulae durfte nicht ungestraft bleiben. Die Wahlen, die im kommenden Monat stattfinden sollten, waren auf einen Schlag vergessen. Zwar war gemäß Sullas neuer Verfassung durch Losentscheid festgelegt worden, welcher Konsul die kurulischen Wahlen leiten sollte — die Wahl war auf Lepidus gefallen —, aber sonst geschah nichts. Statt dessen wies der Senat beide Konsuln an, je vier neue Legionen aufzustellen und sich nach Faesulae zu begeben, um den Aufstand niederzuschlagen.
Kurz vor Ende der Sitzung erhob sich Lucius Marcius Philippus und bat um Gehör. Lepidus, der im Monat Quintilis die Konsulargewalt innehatte, beging seinen ersten großen Fehler: Er erteilte Philippus das Wort.
»Werte Senatorenkollegen«, sagte Philippus mit schallender Stimme, »ich flehe euch an, gebt Marcus Aemilius Lepidus keine Armee! Ich bitte nicht, ich flehe euch an! Denn für mich besteht kein Zweifel, daß unser erster Konsul eine Revolution plant — ja schon seit seiner Amtseinführung geplant hat! Bis zum Tode unseres geliebten Diktators tat und sagte er nichts. Aber kaum war unser geliebter Diktator tot, da fing es an. Er lehnte es ab, für den Vorschlag zu stimmen, Sulla auf Staatskosten zu beerdigen. Natürlich
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