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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Pompeius verstrickt hat. Bestimmt nicht aus Geldnot! Aber es gibt andere Gründe als Geld, und Cethegus könnte alle möglichen Gründe haben.
    Deshalb, mein lieber Lepidus, glaube ich, daß Du bis zu einem gewissen Grad ein zufälliges Opfer bist und daß Dein Mut, für Deine Überzeugung einzutreten, auch wenn sie den Ansichten des Senats zuwiderläuft, Philippus ein Angriffsziel geliefert hat, das er benutzen kann, um seine Handlungsweise zu rechtfertigen, ganz gleich, wieviel Pompeius ihm dafür zahlt. Er vertritt lediglich die Interessen eines Mannes, der zwar kein .Senator ist, es aber für lohnend hält, innerhalb des .Senats eine starke Fraktion zu haben, für den Fall, daß seine Dienste eines Tages benötigt werden. Natürlich kann ich mich auch irren. Aber ich glaube es nicht.
    »Das ergibt mehr Sinn als alles, was ich bisher gehört habe«, sagte Lepidus zu Brutus, nachdem er ihm Servilias Brief vorgelesen hatte.
    »Ich bin mit Servilia einer Meinung«, sagte Brutus respektvoll. »Ich bezweifle, daß sie sich irrt. Sie irrt sich nur selten.«
    »Also, mein Freund, was soll ich tun? Nach Rom zurückkehren wie ein braver Junge, die kurulischen Wahlen abhalten und dann in der Versenkung verschwinden — oder soll ich tun, was die etrurischen Führer wollen, und mit ihnen offen gegen Rom rebellieren?«
    Diese Frage hatte Lepidus sich schon oft gestellt, seit er sich mit der Tatsache abgefunden hatte, daß Rom ihm niemals gestatten würde, Etruria und Umbria wieder einigermaßen zu Normalität und Wohlstand zurückzuführen. Schuld an seinem Dilemma waren sein Stolz und das gewisse Bedürfnis, sich von der Masse abzuheben, auch wenn sie sich aus römischen Konsularen zusammensetzte. Seit dem Tod seiner Frau war das Leben für ihn bedeutungslos geworden; den wahren Grund für ihren Selbstmord — die Söhne vor politischen Repressalien zu bewahren — hatte er völlig verdrängt. Scipio Aemilianus und Lucius standen voll und ganz hinter ihm, und Marcus war noch ein Kind; er erfüllte die Tradition der Familie des Lepidus, denn er wurde mit einer Glückshaube über dem Gesicht geboren, und dieses Phänomen bedeutete, daß er ein Leben lang ein Günstling Fortunas sein würde. Weshalb also sollte Lepidus sich um einen seiner Söhne Sorgen machen?
    Bei Brutus sah die Sache etwas anders aus, obwohl er keine Angst vor einer Niederlage hatte. Nein, Brutus reizte der etrurische Plan, weil seine Ehe mit der Patrizierin Servilia nach acht Jahren an einem Tiefpunkt angelangt war und er wußte, daß seine Frau ihn für unscheinbar, langweilig, feige und verachtenswert hielt. Er liebte sie nicht, aber nachdem seine Freunde und Kollegen Servilias Ansichten zu politischen Fragen mit den Jahren mehr und mehr schätzen gelernt hatten, hatte er erkannt, daß in ihr eine einzigartige Persönlichkeit schlummerte, deren Anerkennung ihm wichtig war. In der gegenwärtigen Situation hatte sie zum Beispiel nicht ihm, sondern dem Konsul Lepidus geschrieben und ihn, den Unbedeutenden, übergangen. Deshalb schämte er sich. Und mittlerweile begriff er, daß auch sie sich schämte. Wenn er ihre Anerkennung zurückgewinnen wollte, mußte er etwas Kühnes, Unverwechselbares tun.
    Deshalb beantwortete Brutus schließlich Lepidus’ Frage, anstatt ihr auszuweichen. »Ich glaube, du mußt tun, was die Ältesten von dir verlangen, und Etruria und Umbria gegen Rom führen.«
    »Gut, ich werde es tun«, sagte Lepidus. »Aber erst am Neujahrstag, wenn ich von diesem dummen Eid entbunden bin.«

    An den Kalenden des Januar hatte Rom keine kurulischen Magistrate, weil die Wahlen nicht stattgefunden hatten. Am letzten Tag des alten Jahres hatte Catulus den Senat einberufen und erklärt, am folgenden Tag sollten die Senatoren die fasces zum Tempel der Venus Libitina schicken und den ersten interrex wählen. Die Amtszeit dieses vorläufigen obersten Magistraten, der interrex oder Zwischenkönig genannt wurde und lediglich als Beschützer Roms fungierte, dauerte fünf Tage. Er mußte Patrizier sein, Vorsteher einer Dekurie von Senatoren, und, wie im Fall des ersten Interrex, der ranghöchste Patrizier im Senat. Am sechsten Tag wurde er von dem zweithöchsten Patrizier abgelöst, der ebenfalls Vorsteher einer Dekurie war; der zweite Interrex wurde ermächtigt, die Wahlen abzuhalten.
    Am Neujahrstag wurde Lucius Valerius Flaccus Princeps Senatus vom Senat offiziell zum ersten Interrex ernannt, und diejenigen, die sich für das Amt des Konsuls und Prätors

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