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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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noch mit Dankbarkeit gedenken, weil er Rom das frische Wasser brachte, das heute aufjedem öffentlichen Platz und an jeder Straßenkreuzung aus den Brunnen schießt. Julias Vater war Gaius Julius Caesar, Sextus Julius Caesars jüngerer Sohn. Sie waren Patrizier aus dem Geschlecht der Fabier, dem die Könige von Alba Longa entstammten, und sie stammten auch von Iulus ab, dessen Vater Aeneas von der Göttin Venus geboren wurde. In Julias Adern floß das Blut einer großen und mächtigen Göttin, und auch das Blut von Mars und Romulus — denn wer war Rhea Silvia, die Mutter von Romulus und Remus? Es war Julia! Und so mischte sich im Blut meiner Tante Julia das Blut mächtiger sterblicher Könige mit dem Blut der unsterblichen Götter, vor denen selbst die mächtigsten Könige erzittern.
    Mit achtzehn heiratete Julia einen Mann, den ihr alle kennt und den viele von euch kannten, als er noch lebte. Sie heiratete Gaius Marius, der sieben Mal zum Konsul gewählt wurde, verehrt als Dritter Gründer Roms, Sieger über Jugurtha, Sieger über die Germanen, Sieger der ersten Schlachten im Bundesgenossenkrieg. Bis dieser unbestreitbar große Mann auf dem Höhepunkt seiner Macht starb, ist sie ihm eine liebende und treue Frau gewesen. Ihm gebar sie ihren einzigen Sohn, Gaius Marius Junior, der bereits mit sechsundzwanzig Jahren erster Konsul war.
    Es war nicht Julias Fehler, daß ihr Mann und ihr Sohn nach ihrem Tod entehrt wurden«, fuhr Caesar mit erhobener Stimme fort. »Nicht Julias Fehler, daß ein Interdikt über sie verhängt wurde, das sie zwang, das Haus zu verlassen, das sie achtundzwanzig Jahre lang bewohnt hatte, und in ein viel schlechteres Haus zu ziehen, das dem eisigen Nordwind ausgesetzt war, der auf dem äußeren Quirinal weht. Nicht Julias Fehler, daß das Schicksal ihr nur wenig ließ, wofür sie leben konnte, außer den Leuten in ihrem neuen Viertel zu helfen. Nicht Julias Fehler, daß sie vor der Zeit verschied. Nicht Julias Fehler, daß es verboten wurde, die Masken ihres Mannes und ihres Sohnes je wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen.
    Schon als Kind kannte ich sie gut, denn ich war Gaius Marius’ Bursche in jenem schrecklichen Jahr, als ihn sein zweiter Schlaganfall zum hilflosen Krüppel gemacht hatte. Jeden Tag suchte ich ihr Haus auf, um für ihren Mann meine Pflicht zu tun und um ihren warmherzigen Dank zu empfangen. Von ihr bekam ich eine Liebe, die mir keine andere Frau je geben konnte, denn meine Mutter mußte auch mein Vater sein, und sie konnte sich den Luxus nicht erlauben, zärtlich zu sein, denn das steht einem Vater nicht an. Aber Tante Julia gab mir Zärtlichkeit, und selbst wenn ich tausend Jahre alt werden sollte, würde ich nicht eine einzige ihrer Umarmungen, nicht einen ihrer Küsse und nicht einen einzigen liebevollen Blick ihrer wunderbaren grauen Augen vergessen. Und ich sage euch, Bürger von Rom, trauert um sie! Trauert um sie, wie ich es tue! Betrauert ihr Schicksal und die Tragik eines unverdient harten Lebens. Und trauert auch um das Schicksal ihres Mannes und ihres Sohns, deren imagines ich euch an diesem unglücklichen Tag zeige. Angeblich darf ich euch ihre Masken nicht zeigen; angeblich kann ich meinen Rang und mein Bürgerrecht verlieren, wenn ich das schreckliche Verbrechen begehe, sie hier auf dem Forum zu zeigen! Ein Verbrechen soll es sein, euch zwei unbelebte Gegenstände zu zeigen, die aus Wachs, aus Farbe und aus dem Haar eines anderen Menschen bestehen! Und ich sage euch, wenn mir wirklich Rang und Bürgerrecht entzogen werden sollten, weil ich euch die Masken von Gaius Marius und seinem Sohn gezeigt habe, dann will ich es mit Fassung tragen! Denn ich will dieser Tante von meinem Blut die Ehre erweisen, die sie verdient hat; und diese Ehre ist untrennbar verknüpft mit der Liebe zu ihrem Mann und zu ihrem Sohn. Ich zeige euch diese imagines um Julias willen, und ich werde keinem Magistraten dieser Stadt erlauben, sie aus ihrem Trauerzug zu entfernen! Tritt vor, Gaius Marius! Tritt vor, Gaius Marius Junior! Erweist eurer Frau und Mutter Julia aus dem Geschlecht Julius Caesar die Ehre, der Tochter von Königen und Göttern!«
    Die Menge hatte verzweifelt geweint, aber als die Schauspieler mit den Masken von Gaius Marius und Gaius Marius Junior vortraten und sich vor der stillen, steifen Gestalt auf der Bahre verbeugten, setzte ein Murmeln ein, das zu einem Chor von Rufen anschwoll und schließlich in ein donnerndes Brüllen überging. Hortensius und Metellus das

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