MoR 03 - Günstlinge der Götter
kompromittierte.
Und Rom kam in Massen, Tausende und Abertausende kleiner Leute, die sich um Interdikte und Ächtungsdekrete nicht scherten. Jetzt hatten sie die Gelegenheit, endlich doch noch um Gaius Marius zu trauern und das geliebte Gesicht mit den riesigen Augenbrauen und dem strengen Stirnrunzeln noch einmal zu sehen, getragen von einem Mann, genauso groß und breitschultrig, wie Gaius Marius es einst gewesen war. Und auch den Jungen Marius konnte man noch einmal bewundern, eine schöne und eindrucksvolle Erscheinung. Noch eindrucksvoller aber wirkte der leibhaftige Neffe des Gaius Marius. Er war in eine Toga gehüllt, die genauso schwarz war wie die Decken der Pferde, welche die Streitwagen zogen; die goldenen Haare und das bleiche Gesicht standen in eindrucksvollem Kontrast zu dem schwarzen Trauergewand. Wirklich gut sah er aus. Geradezu göttlich! Es war das erste Mal, daß Caesar vor einer riesigen Menschenmenge auftrat, seit er den alten, halbgelähmten Marius geführt hatte, und er wollte unbedingt sicherstellen, daß ihn das Volk von Rom nicht vergaß. Er war der einzige Erbe des Gaius Marius, und jeder, der zu Julias Begräbnis gekommen war, sollte wissen, wer er war: der Erbe des Gaius Marius.
Er hielt die Grabrede von der Rostra aus. Es war das erste Mal, daß er von diesem erhabenen Ort aus sprach, das erste Mal, daß er auf ein Meer von Gesichtern hinunterblickte, deren Augen alle auf ihn gerichtet waren.
Julia selbst war für ihren letzten und wichtigsten öffentlichen Auftritt sorgfältig zurechtgemacht worden. Sie war so kunstvoll geschminkt und aufgebahrt, daß sie wie eine junge Frau aussah und ihre Schönheit die Menge zu Tränen rührte. Auf der Rednertribüne befanden sich noch drei weitere Schönheiten: eine gut fünfzigjährige Frau, bei der es sich, wie die Agenten des Lucius Decumius eifrig verbreiteten, um Caesars Mutter handelte; eine Frau um die Vierzig, die an ihrem rotgoldenen Haar als Sullas Tochter zu erkennen war, und ein hochschwangeres kleines dunkelhaariges Mädchen in einer schwarzen Sänfte, das sich als Caesars Frau entpuppte. Auf ihrem Schoß saß ein bezauberndes, ungefähr siebenjähriges, silberblondes Kind, das unschwer als Caesars Tochter zu erkennen war.
»Meine Familie«, rief Caesar mit der hohen, durchdringenden Stimme des Redners, »besteht nur aus Frauen! Die Männer aus der Generation meines Vaters sind alle tot, und von den Männern aus meiner Generation bin ich der einzige, der heute in Rom weilt, um die älteste Frau in meiner Familie zu beweinen: Julia. Ihr Name bedurfte nie einer Abkürzung oder eines Zunamens, denn sie war die älteste unter ihren julischen Angehörigen, und sie machte dem Namen ihres Geschlechts solche Ehre, daß Rom keine Frau kennt, die ihr gleichkäme. Sie war eine strahlende Schönheit von edlem Charakter, eine treusorgende Ehefrau, Mutter und Tante. Sie besaß all die Wärme einer liebenden Frau und all die Freundlichkeit eines großzügigen Geistes. Die einzige andere Frau, mit der ich sie vergleichen kann, hat ihren Mann und ihre Kinder ebenfalls schon lange vor ihrem Tod verloren — ich meine jene andere große Patrizierin Cornelia, die Mutter der Gracchen. Ihre Lebensläufe gleichen sich darin, daß beide Frauen den Verlust eines Sohnes erdulden mußten. Beiden Söhnen wurde der Kopf vom Rumpf getrennt, und beiden Söhnen wurde das Begräbnis verweigert. Wer wollte sagen, welche Frau mehr gelitten hat. Cornelia, die all ihre Söhne verlor, aber nicht die Schande eines entehrten Ehemanns ertragen mußte, oder Julia, die nur ihren einzigen Sohn verlor, aber erleben mußte, wie ihr Mann entehrt und sie selbst als alte Frau in die Armut getrieben wurde. Cornelia wurde über achtzig Jahre alt, Julia starb in ihrem neunundfünfzigsten Lebensjahr. War Julia weniger tapfer, oder hatte Cornelia das leichtere Schicksal? Wir werden diese Frage niemals beantworten können, Bürger von Rom! Und eigentlich sollten wir sie auch nicht stellen.
Beide Frauen waren groß, ja erlaucht!
Ich aber stehe hier, um Julia zu ehren, nicht Cornelia«, fuhr Caesar fort. »Julia aus der Familie Julius Caesar, deren Abstammung erhabener ist als die jeder anderen römischen Frau. In ihren Adern floß das Blut der Könige Roms und der Götter, welche die Stadt gegründet haben. Ihre Mutter war Marcia, die jüngste Tochter von Quintus Marcius Rex, dem edlen Nachkommen von Ancus Marcius, dem vierten König Roms. Jenes Quintus Marcius Rex, dessen wir heute
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