MoR 03 - Günstlinge der Götter
strömten unter ihren Lidern hervor. »Mein armer Sohn«, flüsterte sie. »Es ist furchtbar, der Sohn eines großen Mannes zu sein.... Ich hoffe, du wirst keine Söhne haben, denn du wirst ein sehr großer Mann sein.«
Sein Blick begegnete dem seiner Mutter, und plötzlich sah er einen Anflug von Eifersucht in ihren Augen.
Er reagierte spontan, indem er Julia in die Arme schloß und seine Wange an die ihre preßte. »Tante Julia«, flüsterte er in ihr Ohr. »Wie soll ich nur ohne deine Umarmungen und Küsse auskommen?« Sie ist es gewesen, die mich als Kind umarmt und geküßt hat, sagte der Blick, den er seiner Mutter zuwarf, nicht du! Wie kann ich ohne Tante Julia weiterleben?
Doch Tante Julia antwortete nicht mehr, und auch ihre Augen blieben geschlossen. Sie starb mehrere Stunden später, noch immer in Caesars Armen liegend.
Lucius Decumius und seine Söhne waren im Haus, und auch Burgundus war gekommen; Caesar schickte seine Mutter mit ihnen nach Hause, und er selbst ging durch die belebtesten Straßen, ohne einen einzigen Menschen wahrzunehmen. Tante Julia war tot, und niemand außer ihm und seiner Familie wußte es. Die Frau von Gaius Marius war tot, und niemand außer ihm und seiner Familie wußte es. Just als ihm die Tränen in die Augen stiegen, kam ihm der rettende Gedanke, und die Tränen versiegten sofort. Rom sollte von ihrem Tod erfahren. Und Rom würde von ihrem Tod erfahren!
»Ein stilles Begräbnis«, sagte Aurelia, als er bei Sonnenuntergang ihre Wohnung betrat.
»O nein!« sagte Caesar, der plötzlich riesengroß wirkte und eine gewaltige Kraft ausstrahlte. »Tante Julia wird das größte Begräbnis seit dem Tod der Gracchenmutter Cornelia haben! Und alle Masken der Vorfahren werden im Trauerzug mitgetragen, auch die von Gaius Marius und seinem Sohn.«
Aurelia war entsetzt. »Das kannst du nicht tun, Caesar! Hortensius und Metellus das Zicklein sind Konsuln. Rom ist fest in der Hand der Konservativen. Hortensius wird dich durch einen seiner Volkstribunen vom Tarpejischen Felsen stürzen lassen, wenn du die imagines von zwei Männern ausstellst, die das konservative Rom als Verräter gebrandmarkt hat!«
»Soll er es doch versuchen!« sagte Caesar verächtlich. »Ich werde Tante Julia mit all den Ehren und all der öffentlichen Anteilnahme in die Unterwelt entlassen, die sie verdient hat!«
Nach diesem Entschluß war das Leid leichter zu ertragen. Caesar hatte etwas Konkretes zu tun, eine Aufgabe, die der geliebten Toten würdiger war als eine Flut von Tränen und ein quälendes Gefühl unwiederbringlichen Verlusts.
Caesar wußte natürlich, wie er sich durchsetzen konnte. Kein Magistrat durfte in der Lage sein, seinen Plan zu vereiteln oder ihn anzuklagen, wie sehr er es auch versuchte. Er betraute die angesehensten Bestattungsunternehmer Roms mit den Begräbnisvorbereitungen und vereinbarte einen Preis von fünfzig Talenten in Silber; für diese riesige Summe waren sie alle bereit, für ihn zu arbeiten, obwohl er die Masken des Gaius Marius und des Jungen Marius in aller Öffentlichkeit durch die Stadt führen wollte. Schauspieler wurden angemietet, um die Masken zu tragen, und Streitwagen, auf denen sie fahren würden. Außer den Masken von Gaius Marius und Gaius Marius Junior würden auch die von König Ancus Marcius, von Quintus Marcius Rex sowie die von Sextus und von Lucius Caesar mitgeführt werden.
Die wichtigste Aufgabe übertrug Caesar Lucius Decumius und seiner Bruderschaft: Sie mußten in ganz Rom die Nachricht verbreiten, daß die große Julia, die Witwe von Gaius Marius, gestorben war und daß sie in zwei Tagen um die dritte Stunde begraben werde. Jedermann war eingeladen. Für Gaius Marius hatte es kein öffentliches Begräbnis gegeben, und den Kopf seines Sohnes hatte man auf der Rostra verrotten lassen. Jetzt aber würde Julia ein glanzvolles Begräbnis erhalten, und Rom konnte Gaius Marius und seinem Sohn endlich die langverdiente letzte Ehre erweisen.
Caesar hatte sämtliche Magistrate überrumpelt; niemand hatte sie von dem bevorstehenden Ereignis unterrichtet, und keiner von ihnen wollte eigentlich an Julias Begräbnis teilnehmen. Aber Marcus Crassus und Varro Lucullus waren erschienen, und Mamercus kam mit Cornelia Sulla. Selbst Philippus erwies Julia die letzte Ehre. Selbst Metellus Pius das Ferkel nahm an der Trauerfeier teil, und natürlich auch die zwei Cotta. Sie alle waren vorgewarnt worden, denn Caesar wollte nicht, daß sich jemand unfreiwillig
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