MoR 04 - Caesars Frauen
darf nicht erben!«
»Mein lieber Publius, natürlich darf sie erben!« sagte Appius Claudius. »Cornelia, die Mutter der Gracchen, hatte sich vom Senat für Sempronia eine Befreiung von der lex Voconia beschafft, und Sempronia und Fulvius haben das gleiche für Fulvia erreicht. Was meinst du wohl, weshalb der Volkstribun Gaius Cornelius alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um dem Senat das Recht zu solchen Sonderregelungen abzusprechen? Seine größte Wut richtete sich gegen Sempronia und Fulvius Bambalio, weil sie den Senat gebeten haben, Fulvia erben zu lassen.«
»Tatsächlich?« fragte Clodius, der immer verwirrter wurde.
»Aber gewiß, du warst ja im Osten und viel zu beschäftigt, um nach Rom zu schauen, als das alles passiert ist.« Appius Claudius strahlte wie ein Kind. »Das war vor zwei Jahren.«
»Fulvia wird also das ganze Vermögen erben«, sagte Clodius langsam.
»Fulvia wird das ganze Vermögen erben. Und du, lieber kleiner Bruder, wirst Fulvia erben.«
Aber würde er Fulvia tatsächlich erben? Er achtete ganz besonders auf den richtigen Sitz der Toga und darauf, daß er ordentlich gekämmt und rasiert war, als er am nächsten Morgen aufbrach, um Sempronia und ihren Gatten zu besuchen; er war das letzte Mitglied jener Sippe der Fulvii, der Gaius Sempronius Gracchus so leidenschaftlich unterstützt hatte. Es war weder ein außergewöhnlich großes noch ein sehr schönes Haus, stellte Clodius fest, während ein älterer Verwandter ihn ins Atrium führte, und es lag auch nicht in der besten Gegend des Carinae: Der Tellus-Tempel (ein heruntergekommener Bau, den man dem Verfall preisgegeben hatte) verstellte den Blick auf den Palus Ceroliae und hinüber zum Aventin, und keine zwei Straßen weiter ragten die Mietshäuser des Esquilinus in den Himmel.
Der Verwalter hatte ihm bereits mitgeteilt, daß Marcus Fulvius Bambalio unpäßlich war; Sempronia, die Dame des Hauses, würde ihn empfangen. Clodius kannte das Sprichwort, wonach alle Frauen ihren Müttern ähnlich sehen, deshalb sank ihm beim Anblick der berühmten und geheimnisumwitterten Sempronia der Mut: eine typische Cornelierin, rundlich und nicht besonders attraktiv. Sie war erst kurz vor dem Freitod des Gaius Sempronius Gracchus geboren worden und als einziges überlebendes Kind der ganzen unglücklichen Familie hatte man sie als eine Art Ehrenschuld dem einzigen überlebenden Kind der fulvischen Verbündeten von Gaius Gracchus gegeben, die in den Nachwehen der gescheiterten Revolution alles verloren hatten. Sie waren während Gaius Marius’ viertem Konsulat vermählt worden, und während Fulvius (der es vorgezogen hatte, den neuen Nachnamen Bambalio anzunehmen) daranging, ein neues Vermögen zu verdienen, war seine Frau bemüht, sich unsichtbar zu machen. Das war ihr so gut gelungen, daß nicht einmal Juno Lucina zu ihr gefunden hatte, denn sie war kinderlos geblieben. Im Alter von neununddreißig Jahren nahm sie am Fest des Lupercus teil und hatte das Glück, von einem Riemen aus gegerbtem Ziegenfell getroffen zu werden, als die Priester des Kollegiums nackt durch die Stadt liefen und tanzten. Die Kur gegen Unfruchtbarkeit schlug niemals fehl, auch nicht bei Sempronia. Neun Monate später brachte sie ihr einziges Kind zur Welt — Fulvia.
»Willkommen, Publius Clodius«, sagte sie und deutete auf einen Sessel.
»Frau Sempronia, es ist mir eine große Ehre«, erwiderte Clodius, indem er seine höflichsten Umgangsformen aufbot.
»Ich nehme an, Appius Claudius hat dich in Kenntnis gesetzt.« Ihr Blick musterte ihn, aber ihr Gesicht verriet nichts über das Urteil.
»Ja.«
»Und? Bist du interessiert daran, meine Tochter zu heiraten?«
»Es ist mehr, als ich je zu hoffen gewagt hätte.«
»Das Geld — oder die Verbindung?«
»Beides«, sagte er. Warum hätte er sich verstellen sollen? Niemand wußte besser als Sempronia, daß er ihre Tochter noch nie zu Gesicht bekommen hatte.
Sie nickte, keineswegs verärgert. »Ich habe mich nicht für diese Ehe stark gemacht, und auch Marcus Fulvius zerspringt nicht gerade vor Glück darüber.« Ein Seufzer, ein leichtes Achselz\1cken. »Aber Fulvia ist nicht umsonst die Enkeltochter von Gaius Gracchus. In mir hat der gracchische Geist keine Heimstatt gefunden, so wie mein Gatte nicht den Geist und das Feuer der Fulvii geerbt hat. Das muß die Götter geärgert haben. Fulvia hat unser beider Anteile mitbekommen. Ich weiß nicht, welche Laune sie auf dich gebracht hat, Publius Clodius, aber sie
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