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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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kleine Stoikerin, die lieber gestorben wäre, als ihrem Vater zu mißfallen, stand kerzengerade da und schaute heroisch drein — keine Tränen, keine zitternden Lippen. »Mama ist ins Exil gegangen«, sagte sie. »So kann man es auch ausdrücken.«
    »Ist sie noch römische Bürgerin?« fragte Porcia mit einer ganz ähnlichen Stimme wie ihr Vater, einer Stimme ohne Rhythmus und Melodie.
    »Ich kann es ihr nicht absprechen, Porcia, und das will ich auch gar nicht. Aber ich habe ihr jegliche Teilnahme an unserem Leben abgesprochen, denn sie ist es nicht wert, daran teilzunehmen. Eure Mutter ist eine schlechte Frau. Eine Schlampe, eine Hure, eine Ehebrecherin. Sie hat mit einem Mann namens Gaius Julius Caesar verkehrt, und dieser Mann ist ein typischer Patrizier — er ist korrupt, unmoralisch, altmodisch.«
    »Werden wir Mama wirklich nicht wiedersehen?«
    »Nicht, solange ihr unter meinem Dach wohnt.«
    Die Bedeutung dieser Worte war schließlich eingedrungen; der vierjährige Cato fing bitterlich an zu weinen. »Ich will zu Mama! Ich will zu Mama!«
    »Tränen sind etwas Falsches«, sagte der Vater, »wenn sie für etwas Unwürdiges vergossen werden. Benimm dich wie ein richtiger Stoiker und hör mit diesem unmännlichen Gejammer auf. Du kannst nicht zu deiner Mama, und damit Schluß! Porcia, bring ihn hinaus. Das nächste Mal will ich einen Mann sehen und keinen verheulten Rotzjungen.«
    »Ich werd’s ihm beibringen«, versprach sie und blickte ihren Vater mit unverhohlener Bewunderung an. »Solange wir bei dir sind, Pater, ist alles gut. Du bist es, den wir am meisten lieben, nicht Mama.«
    Cato erschrak. »Keine Liebe!« rief er. »Ihr dürft niemals jemanden lieben! Ein Stoiker liebt nicht! Ein Stoiker will nicht geliebt werden!«
    »Ich dachte, Zeno hätte nicht die Liebe an sich verboten, sondern die falsche Liebe«, sagte die Tochter. »Ist es nicht richtig, alles Gute zu lieben? Du bist gut, Pater. Ich muß dich lieben, Zeno sagt, daß es das richtige Gefühl ist.«
    Was sollte er darauf antworten? »Dann halte dir deine Liebe auf Distanz und laß dich niemals von ihr beherrschen«, sagte er. »Nichts, was den Verstand mindert, darf einen beherrschen, und Gefühle mindern den Verstand.«
    Als die Kinder gegangen waren, verließ auch Cato den Raum. Nur ein paar Meter den Säulengang hinunter erwarteten ihn Athenodorus Cordylion, ein Krug Wein, ein paar gute Bücher und ein fruchtbareres Gespräch als dieses. Von diesem Tag an mußten Wein und Bücher und Gespräche jede Leere in seinem Leben ausfüllen.
    Aber ach, es kam Cato schwer an, sich diesem brillanten und gefeierten kurulischen Ädil entgegenzustellen, der seinen Dienst so erstaunlich gut und mit soviel Gespür versah!
    »Er spielt sich wie der König von Rom auf«, sagte Cato zu Bibulus.
    »Ich glaube, er hält sich für den König von Rom, der großzügig Brot und Spiele verteilen kann. Immer alles mit großer Geste, vom Umgang mit den gewöhnlichen Leuten bis hin zum arroganten Auftreten im Senat.«
    »Er ist mein erklärter Feind.«
    »Er ist der Feind eines jeden Mannes, der für den mos maiorum eintritt; keiner darf sich für besser als seinesgleichen halten«, sagte Bibulus. »Ich werde ihn bis zum letzten Atemzug bekämpfen!«
    »Er ist in jeder Beziehung ein zweiter Gaius Marius«, stellte Cato fest.
    Aber Bibulus lächelte verächtlich. »Marius? Nein, Cato, nein! Gaius Marius wußte, daß er niemals König von Rom sein würde — er war nur ein Landedelmann aus Arpinum, wie sein nicht minder bäuerlicher Vetter Cicero. Caesar ist kein Marius, glaube mir. Caesar ist ein zweiter Sulla, und das ist viel, viel schlimmer.«

    Im Juli dieses Jahres wurde Marcus Porcius Cato zu einem der Quästoren gewählt, und das Los bestimmte ihn zum ersten der drei Stadtquästoren; seine beiden Kollegen waren der große plebejische Aristokrat Marcus Claudius Marcellus und ein gewisser Lollius aus jener picentischen Familie, die Pompeius der Große der römischen Übermacht in Senat und Komitien frohgemut vor die Nase gesetzt hatte.
    Da ihm bis zur tatsächlichen Amtsübernahme noch ein paar Monate Zeit blieben, verbrachte Cato seine Tage damit, den Handel und das Handelsrecht zu studieren. Er engagierte einen ehemaligen Buchhalter des Schatzamts, damit er ihm beibrachte, wie die tribuni aerarii ihre Bücher führten, und da ihm das alles nicht in den Schoß fiel, mußte er lange büffeln, bis er soviel über die Staatsfinanzen wußte wie Caesar, ohne

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